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Der Einfluss des Bundesgerichtshofes auf Inhalte und Umfang von Sanierungsgutachten nach IDW S6 F 2012

Für Firmen in Krisenzeiten ist die Beendigung des Unternehmens oder die endgültige Erklärung der Insolvenz nicht das Ende der Fahnenstange. Wer sein Unternehmen vor der Zahlungsunfähigkeit und Misserfolgen retten möchte, der saniert es in der Regel. Um eine Finanzierung über Banken oder Privatinvestoren zu gewährleisten, die das verfügbare Kapital wieder aufstocken sollen, müssen diese jedoch angeworben und überzeugt werden. Während Kapitalanlagen wie Aktien oder Beteiligungsfonds diese Aufgabe mit den Prospekten bewältigen, können Firmen Sanierungsgutachten erstellen oder erstellen lassen. Diese Sanierungsgutachten (auch Sanierungskonzepte genannt) enthalten
• alle Angaben zur derzeitigen Situation der Firma,
• Gründe und Analysen dazu, welche Situationen die Firma in eine missliche Lage brachten
sowie
• Pläne und Maßnahmen zur Eindämmung des finanziellen Schadens und zur
zukünftigen Neuausrichtung des Unternehmens.
Um die Richtigkeit und Aussagekraft dieser Sanierungsgutachten zu gewährleisten, beschließt das Institut der Deutschen Wirtschaftsprüfer (IDW) unregelmäßig Vorgaben. Mit der Neufassung des aktuellsten Standards (IDW S6 F 2012) wurde vor allen Dingen die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes dazu genutzt, die Kriterien für ein rechtlich und wirtschaftlich belastbares Gutachten festzulegen.

Nachweis der Fähigkeiten und Kerninhalte eines Sanierungsgutachtens
Mit Verweis auf die Notwendigkeit und Kerninhalte eines Sanierungsgutachtens sind es die folgenden Fähigkeiten, die Ihr Gutachten beweisen soll.
1. Wettbewerbsfähigkeit
2. Fortführungsfähigkeit
3. Renditefähigkeit
Und um diese Fähigkeiten ersichtlich zu machen, muss das Gutachten über ganz bestimmte Inhalte verfügen. Diese Inhalte wurden mit Bedacht gewählt, denn erstmalig seit seinem Bestehen geht das IDW S6 F 2012 auf die aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein.

Kriterien für das Gutachten laut Bundesgerichtshof
In der Vergangenheit sorgten geschönte Sanierungsgutachten dafür, dass Banken und Investoren Gelder ausgaben, die eigentlich nur zu Verlusten führen konnten. In der Folge kam es also zu gerichtlichen Auseinandersetzungen, die zu verschiedensten Ergebnissen führten. Leider gibt es keine staatliche Vorgabe für Sanierungsgutachten, ebenso wenig eine einheitliche Rechtsprechung. Doch gibt es viele kleinere Entscheidungen, die vom Institut der deutschen Wirtschaftsprüfer in die Erstellung von Gutachten mit einbezogen wurden.

1. Wirtschaftliche und juristische Situation (bzw. Ausgangslage)
Die Beschreibung der Ausgangslage Ihres Unternehmens ist die Grundlage für das Sanierungsgutachten. Dabei müssen alle wirtschaftlichen und rechtlichen Faktoren beschrieben werden.
Das heißt, nicht nur die grundsätzlichen Daten Ihres Unternehmens werden hier aufgezählt. Es müssen umfassende Berichte über das Umfeld des Unternehmens und eine tiefschürfende Analyse über die Branche im Allgemeinen vorhanden sein. Eine solche Analyse sollte voraussagen, wie sich die wirtschaftlichen Bedingungen für Ihr Unternehmen entwickeln könnten. Das betrifft Trends, die technologisch entstehen, aber auch bevölkerungswissenschaftliche, politische und soziale Entwicklungen. Daraus lässt sich die zukünftige Gewinnfähigkeit der Branche an sich und insbesondere die Position Ihrer Firma darin bestimmen.
Gebaut wurde dieses Kriterium um ein Urteil des Bundesgerichtshofs von 1997.
„Eine solche Prüfung muss die wirtschaftliche Lage des Schuldners im Rahmen seiner Wirtschaftsbranche analysieren, […] sowie die Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage erfassen.“
– 04.12.1997, BGH Az. IX ZR 47/97

2. Stadium der Krise (und Krisenursachen)
„Das Sanierungskonzept war ohne eine genaue Analyse der Vergangenheit mit einem hohen, nicht abschätzbaren Risiko behaftet.“
– 15.11.2001, BGH Az. 1 StR 185/01
„Eine solche Prüfung muss die Krisenursachen erfassen.“
– 04.12.1997, BGH Az. IX ZR 47/97
Gemäß dieser Zitate muss die Analyse als nächstes die Krise des Unternehmens definieren. Als Hauptkriterium für das Gutachten muss an dieser Stelle ehrlich und genau aufgeschlüsselt werden, welche Ursachen die Krise hervorgerufen haben. Wie weit ist die Krise bereits vorangeschritten? Ist eine Zahlungsunfähigkeit bereits unumgänglich?
Hier sollte ebenso darauf geachtet werden, dass die Berichte aus dem 1. Kernpunkt einbezogen werden und auch Gründe aus der Branche herbeigezogen werden. Angenommen, Sie führen ein Technologieunternehmen, das sich auf die Entwicklung von Mobiltelefonen älterer Bauweise spezialisiert hat. Dann wird aus der Analyse der Branche hervorgehen, dass Sie umgangssprachlich „out“ sind und Ihr Unternehmen in Anbetracht der Konkurrenten (Smartphones, Tablets, Smartwatches – wie von Apple Inc., Samsung, Nokia, etc.) keine Chancen auf Erholung haben dürfte.
Hierbei ist es am wichtigsten, genau, detailliert und wie bereits genannt, ehrlich zu arbeiten.

3. Zukünftiges Firmenleitbild und -modell
Als nächstes muss das Konzept auf das zukünftige Leitbild Ihres Unternehmens eingehen. Das beschreibt nämlich die zukünftige Richtung , die Sie einschlagen wollen. Sie müssen zeigen, welche Ziele Sie sich langfristig gesetzt haben. Auch die Strategien (von der Entwicklung, Produktion, Logistik, über Vermarktung und Vertrieb hinweg bis zur Personalpolitik) müssen dabei so genau wie möglich erläutert werden. So machen Sie den Lesern deutlich, dass Sie die Probleme innerhalb Ihres Unternehmens verstehen und änderungsfähig gemacht haben. Diesmal lag allerdings nicht der Bundesgerichthof als Grundlage vor, sondern eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln, welches beschloss:
„Nach den überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen setzt ein Sanierungskonzept im Wesentlichen […] das Leitbild des sanierten Unternehmens […], […] Planverprobungsrechnungen […] voraus.“
– 24.09.2009, OLG Köln Az. 18 U 134/05

4. Maßnahmen zur Sanierung
Aufbauend auf Ihren bisherigen Schilderungen müssen nun „Taten folgen“. Wie sie feststellen, sind die zu erfüllenden Kriterien nicht einzeln abtrennbar. Alle Bestandteile des Gutachtens spielen ineinander und überschneiden sich thematisch, daher sind sie auch lediglich ein „Grundrahmen“ und keine gesetzliche Vorlage, denn als Formular wäre das Prinzip gar nicht umsetzbar.
Ist das Leitbild entwickelt und die Zukunft eine fertige Zielstellung, können daraus Maßnahmen abgeleitet werden. Dazu sagt der Bundesgerichtshof:
„Danach müssen die für die Sanierung konkret in Angriff genommenen Maßnahmen zusammen objektiv geeignet sein, die Gesellschaft in überschaubarer Zeit durchgreifend zu sanieren.“
– 21.11.2005, BGH Az. II ZR 277/03
Das derzeitige Krisenstadium ist dabei maßgeblich für die Inhalte der Sanierungsmaßnahmen. Grundsätzlich müssen diese nach Werten wie der Wichtigkeit, Ihrer Notwendigkeit für das Gesamtergebnis und der Dauer ihrer Umsetzung aufgelistet werden. In erster Linie müssen Ihre Grundmaßnahmen dabei darauf abzielen, die Zahlungsfähigkeit aufrecht zu erhalten und große Kostenverursacher auszuschalten. Weiterhin müssen die Maßnahmen dafür sorgen können, Ihre Gewinne – also die Rentabilität – zu steigern und langfristig zu halten.

5. Unternehmensplan
Ausgehend von den Sanierungsmaßnahmen, die Sie aufzeigen, muss ein umfangreicher Unternehmensplan ausgerechnet werden. Die Einhaltung von Zeitplänen und den Vorgaben aus bilanzieller Hinsicht ist dabei am wichtigsten. Daher muss spätestens an dieser Stelle auch eingerechnet werden, was die Maßnahmen an Zeit und Geld kosten – und müssen probeweise in die Bilanzen eingerechnet werden. Diese müssen dann weiterhin dazu genutzt werden können, um das Unternehmen in absehbarer Zeit sanierungsfähig zu machen.
Auch hier gilt der Leitsatz des Bundesgerichtshofes vom 21.11.2005, Az. II ZR 277/03.

6. Einschätzung der Sanierungsfähigkeit
Die Einschätzung der Sanierungsfähigkeit ist so etwas wie das Schlusswort des Gutachtens. Festgelegt wurde es durch eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes.
„Zu fordern ist vielmehr ein in sich schlüssiges Konzept, das jedenfalls in den Anfängen schon in die Tat umgesetzt ist.“
– 12.11.1992, BGH Az. IX ZR 236/91
Demnach ist der letzte Kernpunkt der ausschlaggebende in der Beendigung des Gutachtens. Sie müssen Ihre Maßnahmen kritisch betrachten und sich auch damit auseinandersetzen, welche Bestandteile Ihres Plans möglicherweise nicht funktionieren könnten. Letztendlich ist das Gutachten nicht mehr als eine hoffnungsvolle Prognose für die Zukunft, auf Grundlage von Daten, die Sie aus Erfahrungswerten gesammelt haben. Doch diese Fähigkeit zur Einsicht bedeutet, dass Sie sich über Ihre Verantwortung vollends im Klaren sind. Sie begründen damit nämlich Ihren Veränderungswillen, den Sie so eindrucksvoll beweisen können. Dazu gehört auch der Teil des Bundesgerichtshofzitats, der besagt, man solle das Konzept bereits in die Tat umgesetzt haben. Sind erste Maßnahmen – etwa Kostensenkungsmaßnahmen und personelle Umstrukturierungen bereits geschehen, wird gewährleistet, dass sich das Unternehmen seiner Lage tatsächlich bewusst ist und danach handelt. Oftmals wird ein solcher Veränderungswille nämlich nur vorgetäuscht, um Kredite zu erhalten, an der Umsetzung scheitert es dann aus internen Gründen.
Abschließend lässt sich also sagen, dass Sanierungskonzepte eine umfassende Sachlage repräsentieren. Es ist nicht genug, die einzelnen Punkte abzuarbeiten und irgendwo vorzulegen. Vielmehr müssen Sie – genau wie in der Werbung – jemanden dafür überzeugen, Ihr Unternehmen für rentabel zu halten. Sie müssen es ehrlich bewerben und gleichzeitig kritisch mit allen Fehlern umgehen, die Ihnen aufgefallen sind. Sicher ist es für ein kleines Unternehmen schwieriger, eine solche Tiefe innerhalb der Maßnahmen und rechnerischen Details auszuarbeiten. Für größere Unternehmen empfiehlt es sich allerdings, jede verfügbare Ressource in die Ausarbeitung eines solch universellen Gutachtens zu stecken, um die Wirksamkeit zu garantieren.

 

Lesen Sie dazu auch unseren Beitrag:    Grundlagen für Sanierunsggutacxhten nach dem IDW S6 [1]