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Energieeinspeisung: Abzug von der Mindestvergütung für induktive und kapazitive Blindarbeit am Netzanschlusspunkt

Die Mindestvergütung für erneuerbare Energie gemäß §§ 7, 9 EEG 2000 ist nur für Wirkleistung zu entrichten. Eine Preisvereinbarung, die das Energieversorgungsunternehmen zu einem Abzug für induktive und kapazitive Blindleistung am Netzanschlusspunkt berechtigt, ist daher zulässig (entgegen OLG Hamm, 12. Dezember 2003, 29 U 14/03, ZNER 2003, 335 [1]; Anschluss LG Potsdam, 1. August 2005, 2 O 215/04 [2], IR 2005, 280 [3]).

Sachverhalt

Die Klägerin betreibt in … einen Windpark und leitet den gewonnenen Strom in das Leitungsnetz der Beklagten, ein Energieversorgungsunternehmen, ein.

Die Parteien schlossen am 06./24.11.01 einen »Vertrag über die Einspeisung regenerativer Energie« und vereinbarten eine Vergütung des eingespeisten elektrischen Stroms mit den gesetzlichen Mindestvergütungssätzen. Hierzu bestimmt Ziff. 2.2 des Vertrags:

»Die Vergütung erfolgt von … zu den Mindestvergütungssätzen der jeweiligen privilegierten Energiequelle gemäß EEG unter dem Vorbehalt der Rückforderung, dass das EEG mit den europäischen Vorschriften, insbesondere dem Artikel 30 des EG-Vertrages, nicht vereinbar ist, und dass die erzeugte und angebotene elektrische Energie nicht in jeder Hinsicht den Anforderungen des EEG entspricht. Die Preise nach vorgenanntem Gesetz sind Nettopreise. Sofern der Betreiber nachweist, dass er als Unternehmen im Sinne des Umsatzsteuergesetzes gilt, wird der Vergütung die jeweils gültige Umsatzsteuer hinzugerechnet.«

Gem. Zif. 4.9 des Vertrags ist die Verursachung induktiver und kapazitiver  gegen 1 zuBlindarbeit am Netzanschlusspunkt auf einen Leistungsfaktor cos  begrenzen und wird von der Beklagten entsprechend der vereinbarten Preisregelung abgerechnet. Die zwischen den Parteien ebenfalls vereinbarte Preisregelung bestimmt in Ziff. 1 Blindstromlieferung und -einspeisung:

»In Rechnung gestellt wird nur der Teil der Blindarbeit, der im Abrechnungsmonat die Freigrenze von 20 % der zeitgleich eingespeisten Wirkarbeit übersteigt. Hierbei werden induktive und kapazitive Blindarbeit getrennt betrachtet.

Die so erfasste Blindarbeit wird mit einem Preis von 2,0 Pf/kvarh berechnet.«

Die Beklagte verwendet die zitierten Vertragsklauseln mehrfach und hat diese der Klägerin ohne weitere Verhandlungen zur Unterschrift vorgelegt.

Im Zeitraum 12/01 bis 01/03 brachte die Beklagte 11.300,05 Euro in Abzug. Dieser Betrag entspricht dem Vergütungsanteil, der auf sog. Blindleistung entfällt und entsprechend der zwischen den Parteien vereinbarten Preisregelung zum Vertrag von der Beklagten berechnet wird.

Blindleistung wird zur Erzeugung elektromagnetischer Felder benötigt. Sie kann im Gegensatz zur Wirkleistung nicht genutzt, d. h. in eine andere Energieform umgewandelt werden und belastet somit das Stromversorgungsnetz und die Erzeugeranlagen (Generatoren und Transformatoren). Durch Blindstromkondensatoren kann dieser nicht nutzbare Energieanteil reduziert werden. Für das Energieversorgungsunternehmen reduziert sich durch die Kompensation die Belastung der Netze, so dass Kapazitäten eingespart bzw. nicht erweitert werden müssen.

Der Umfang des Blindstroms ist ferner abhängig von der Beschaffenheit und Lage der Energieanlage, beispielsweise deren Entfernung von der Einleitungsstelle.

Entscheidung

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Vergütung, soweit die Beklagte einen auf die Blindleistung entfallenden Anteil in Abzug gebracht hat.

Die Beklagte hat entsprechend der zwischen den Parteien getroffenen vertraglichen Vereinbarung in zulässiger Weise den Blindstrom berechnet und von der der Klägerin zustehenden Vergütung in Abzug gebracht.

Umfang und Berechnung des Blindstroms sind zwischen den Parteien nicht streitig. Bedenken gegen die Wirksamkeit der Preisregelung bestehen nicht.

Das Landgericht Chemnitz  geht davon aus, dass die Preisreglung nicht individualvertraglich vereinbart wurde. Unwidersprochen hat die Klägerin vorgetragen, dass ihr die Beklagte den Einspeisungsvertrag vorformuliert zur Unterschrift vorgelegt habe. Die entsprechende Klausel im Einspeisungsvertrag verwendet die Beklagte mehrfach. Die Einfügung individueller Leistungsfaktoren in den Vertrag nimmt diesem nicht den Charakter allgemeiner Geschäftsbedingungen.

Ungeachtet dessen bestehen Wirksamkeitsbedenken im Hinblick auf §§ 9 [4], 5 AGBG [5] bzw. 305 c II, 307 I 2 BGB nicht. Die gesetzliche Neuregelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen in §§ 305 ff. BGB [6] ist vorliegend nur z. T. anwendbar; gem. Art. 229 § 5 S. 2 EGBGB [7] ist erst ab 01.01.03 die Regelungen des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes vom 26.11.01 auf Dauerschuldverhältnisse anzuwenden. Ungeachtet dessen bestehen inhaltliche Unterschiede in den gesetzlichen Bestimmungen nicht.

Die vertragliche Regelung über die Blindarbeit ist nicht unklar. Die Klägerin hat sich verpflichtet, die Verursachung induktiver und kapazitiver Blindarbeit  gegen 1 zu begrenzen. am Netzanschlusspunkt auf einen Leistungsfaktor cos  Abzurechnende Blindarbeit ist gem. Ziff. 1 der Preisregelung der Anteil, der die dort beschriebene Freigrenze von 20 % der eingespeisten Wirkleistung überschreitet. Damit konnte die Klägerin erkennen, welcher Anteil der Blindarbeit von der Beklagten berechnet wird. Unterschiedliche Formulierungen in der Bezeichnung führen nicht zu Unklarheiten, da die Begriffe offenbar synonym verwendet werden und vor allem der Anteil der vergütungspflichtigen Teile eindeutig bestimmt ist.

Durch die Berechnung von Blindstrom wird die gesetzliche Mindestvergütung der §§ 7, 9 EEG 2000 (nunmehr §§ 10, 12 EEG 2004) nicht unterschritten.

Entgegen einer in der Rechtsprechung teilweise vertretenen Ansicht (so: OLG Hamm, 29. Zivilsenat, Urteil 29 U 14/03 [1] vom 12.09.03; 29 U 61/03 [8] vom 07.11.03; LG Frankfurt (Oder), 8. Zivilkammer, Urteil 11 O 300/03 [9] vom 20.08.2003) ist das Gericht der Auffassung, dass nur die Wirkleistung zu vergüten ist (so auch LG Potsdam, 2. Zivilkammer, Urteil 2 O 215/04 [2] vom 01.08.05). Durch die Bestimmungen des EEG soll eine nachhaltige Entwicklung der Energieversorgung und ein erhöhter Anteil an erneuerbaren Energien gewährleistet sein, vgl. § 1 EEG 2000. Zu diesem Zweck legt der Gesetzgeber Vergütungssätze fest, die erst einen kostendeckenden und möglicherweise auch rentablen Anlagenbetrieb ermöglichen. Der Umfang des Blindstroms aber hängt ab von Standortfaktoren und technischer Ausstattung der Anlage. Insoweit hat der Anlagenbetreiber eine Investitionsentscheidung zu treffen, von deren positiven oder negativen Folgen er nicht entlastet werden soll. Es ist kein Grund ersichtlich, die Netzbelastung, die sich aus einer ungünstigen technischen Ausstattung der Anlage, beispielsweise unzureichende Kondensatoren oder Standortnachteilen wie lange Leitungswege, beim Netzbetreiber zu belassen, der hiermit ggf. die Stromkunden belasten würde. Das EEG ist keine Vollkaskoversicherung für unternehmerische Entscheidungen.

 

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Spiegelberg
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht
Rostock