Mitarbeit des Bürgen in zukünftiger Firma der Kreditnehmers widerlegt nicht die Vermutung, dass die Bürgschaft des Ehegatten aus emotionaler Verbundenheit abgegeben wurde

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In seiner Entscheidung vom 25.1.2005, Az: XI ZR 28/04, hat sich der Bundesgerichtshof mit der Frage auseinandergesetzt, ob es zur Widerlegung der Vermutung, dass der Bürge aus emotionaler Verbundenheit handelte, ausreiche, dass dieser im künftigen Unternehmen des gründenden Hauptschuldners an verantwortlicher Stelle mitarbeiten sollte.

Sachverhalt

Die Beklagte und ihr Ehemann waren über viele Jahre im Transportgewerbe tätig. Im Jahre 1997 verdienten die Eheleute zusammen mehr als 200.000 DM brutto, wovon rund 70.000 DM auf die als Prokuristin tätige Beklagte entfielen. Als beide ihren Arbeitsplatz verloren hatten, wandte sich der Ehemann der Beklagten im September 1998 an die klagende Sparkasse, um staatlich geförderte Existenzgründungsdarlehen und weitere Kredite über insgesamt ca. 1,2 Millionen DM für die von ihm beabsichtigte Gründung einer Einzelfirma zu erhalten. Nach dem vorgelegten Gründungskonzept sollte der Betrieb auf dem Gebiet des Transportwesens tätig werden. Ferner war vorgesehen, daß die Beklagte die Büroleitung zusammen mit der Auftragsbearbeitung übernimmt und ab März 1999 in steigerungsfähiges Jahresgehalt von 75.000 DM brutto bezieht.

Am 26. Februar 1999 bewilligte die Klägerin die beantragten Kredite. Die Zinsen betrugen monatlich ca. 1.596,67 DM. Die damals 51 Jahre alte arbeitslose Beklagte übernahm dafür am selben Tag eine Höchstbetragsbürgschaft über 300.000 DM. Außerdem bestellte sie mit notarieller Urkunde vom 6. April 2000 an ihrem Wohnungseigentum eine wertausschöpfende Grundschuld von 400.000 DM. Ab Juli 1999 bezog sie als Angestellte im Unternehmen ihres Ehemannes ein Monatsgehalt von 2.365 DM netto.

Die Existenzgründung ihres Ehemannes scheiterte.  Die ausgereichten Geschäftskredite wurden von der Klägerin fristlos gekündigt. Die Klägerin nimmt die Beklagte aus der Höchstbetragsbürgschaft auf Zahlung von 300.000 DM zuzüglich Zinsen in Anspruch.

Die Beklagte hält die Bürgschaft wegen krasser finanzieller Überforderung für sittenwidrig.


Entscheidungsgründe:

Die Höchstbetragsbürgschaft der Beklagten verstößt gemäß § 138 Abs. 1 BGB gegen die guten Sitten und ist daher nichtig.
Entscheidend für die Feststellung der Sittenwidrigkeit ist der Grad des Mißverhältnisses zwischen dem Verpflichtungsumfang und der finanziellen Leistungsfähigkeit des Bürgen.

Im Fall krasser finanzieller Überforderung ist ohne Hinzutreten weiterer Umstände widerleglich zu vermuten, daß  die ruinöse Bürgschaft oder Mithaftung allein aus emotionaler
Verbundenheit mit dem Hauptschuldner übernommen wurde und die Bank dies ausgenutzt hat.
Die Beklagte war bei Übernahme der Bürgschaft über 300.000 DM im Februar 1999 kraß finanziell überfordert, weil sie die Zinsen  für das verbürgte Existenzgründungsdarlehen aus eigenem pfändbaren Einkommen und/oder Vermögen auf Dauer allein nicht aufbringen konnte. Die Beklagte war bei Übernahme der Bürgschaft arbeitslos und  konnte zunächst nicht das Geringste zur vertragsgemäßen Erfüllung der Zinsansprüche der Klägerin  beitragen. Die Bestellung der Grundschuld über 400.000 DM erst im April 2000, also weit nach Vertragsschluß, ändert an der Beurteilung nichts.

Es  war auch nicht mit einer die krasse finanzielle Überforderung der Beklagten beseitigenden Verbesserung ihres finanziellen Leistungsvermögens bis zum ungewissen Zeitpunkt der Inanspruchnahme aus der Bürgschaft zu rechnen.
Die Klägerin durfte die damals 51-jährige Beklagte nicht im Vertrauen auf die Realisierbarkeit des Gründungskonzepts ihres Ehemannes in die von den staatlichen Förderstellen vorgeschriebene Bürgenhaftung für das ausgereichte Existenzgründungsdarlehen und den Kontokorrentkredit nehmen. Zwar sollte sie danach als leitende Angestellte des Gewerbebetriebes ab dem 1. März 1999 im Jahr 75.000 DM brutto und in absehbarer Zeit sogar noch mehr verdienen. Dieser Plan war allerdings unrealistisch und die Beklagte verdient letztlich auch nur 2365 DM netto im Monat. Das Gehalt der Beklagten war zudem nicht von der Insolvenz desUnternehmens unabhängig.

Der Einwand, daß die Beklagte von 1984 bis 1998 zu relativ hohen Bezügen gearbeitet habe und sogar Prokuristin gewesen sei, greift nicht. Denn abgesehen davon, daß ihr Ehemann das Unternehmen der früheren Arbeitgeberin leitete, darf in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit, wie sie bei Vertragsschluß herrschten, nicht unberücksichtigt bleiben, daß die Beklagte damals bereits 51 Jahre alt war und nach der Lebenserfahrung ältere Arbeitnehmer große Probleme haben, einen ihrer Qualifikation entsprechenden Arbeitsplatz zu finden.
Das Einzelunternehmen des Ehemannes der Beklagten sollte bei Abschluß des Bürgschaftsvertrages die Existenzgrundlage der ganzen Familie bilden. Dies ist jedoch nicht von wesentlicher Bedeutung. Der Erwerb eines bloßen mittelbaren geldwerten Vorteils aus der Unternehmensfinanzierung – wie etwa eine häufig nur schwer feststellbare und flüchtige Verbesserung
des allgemeinen Lebensstandards oder die Aussicht auf einen Arbeitsplatz – wiegt das bei Existenzgründungsdarlehen große Bürgschaftsrisiko nicht auf.

 

 

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Spiegelberg

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