Zur Insolvenzfestigkeit von Lastschriften

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Mit zwei maßgebenden Urteilen entschied der Bundesgerichtshof über die Frage, ob eine Lastschrift insolvenzfest ist. Bis dahin war es aber ein weiter Weg, denn bislang waren sich der 9. und 11. Senat des Bundesgerichtshofs uneinig über die Streitfrage.
Unter insolvenzfesten Vermögensteilen versteht man Dinge, die nicht in die Insolvenzmasse mit einfließen. Dies sind also solche Vermögensanteile, auf die ein Gläubiger auch während der formellen Insolvenz des Schuldners noch Ansprüche erheben kann.

Nicht selten haben Insolvenzverwalter Lastschriften der Schuldner widerrufen, die noch kurz vor der Insolvenzanmeldung Bestand hatten – sehr zum Leidwesen betroffener Gläubiger.  Ziel dieser Taktik war die Rückführung der Beträge in die von Gläubigeransprüchen nicht berührbare Insolvenzmasse. Letztendlich führte diese immer wieder zu umfangreichen Rechtsstreiten vor den zuständigen Gerichten.

Einzugsermächtigungsverfahren war fehlehrhaft geregelt

Bis dahin wurde eine Vielzahl der Lastschriften im sogenannten „Einzugsermächtigungsverfahren“ vollzogen. Das heißt, ein Schuldner berechtigt seinen Gläubiger, offene Forderungen direkt von seinem Konto abzubuchen. Ausschlaggebend ist dabei die erteilte Vollmacht über die Einzugsermächtigung. Seinerzeit ermächtigte die den Gläubiger nämlich lediglich, den technischen Vorgang „Lastschrifteinzug“ als solches zu nutzen. Sie galt allerdings nicht als Erlaubnis, das Geld letztendlich auch wirklich abbuchen zu lassen. Wenn der Gläubiger also sein Kreditinstitut damit beauftragte, einen Geldeinzug vom Konto des Schuldners einzuziehen, so gab diese letztendlich nur den Buchungsauftrag an die Bank des Schuldners weiter. Da die Bank des Schuldners sozusagen nur die einfache Vollmacht hat, ist diese eigentlich nicht bevollmächtigt, das Geld an den Auftraggeber weiterzubuchen – jedenfalls nicht vollständig. Das Handeln der Bank widerspricht keinem gängigen Recht oder bricht ein Gesetz. Allerdings hatten Schuldner weiterhin bis zu 6 Wochen lang die Möglichkeit, die Lastschriften zu widerrufen und somit die Überweisung rückgängig zu machen. Eigentlich stand ein solches Widerrufsrecht nur den Schuldnern zu, bei denen eine Lastschrift komplett unberechtigt eingezogen worden ist.

Ein Problem – Zwei grundverschiedene Rechtsprechungen

Der 9. Zivilsenat des Bundesgerichtshof war bis dahin der Meinung, dass bei der Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens der Insolvenzverwalter das Recht habe, eine Lastschrift zu widerrufen. Dies musste lediglich bis zur Genehmigung des Rechnungsabschlusses des Kontos geschehen, um gültig zu sein. Der Senat begründete das mit der sog. Genehmigungstheorie, wonach ein Insolvenzverwalter die Entscheidungsfreiheit über die endgültige Wirkung einer Einzugsermächtigung hat – er muss diese Erfüllungshandlung ausdrücklich genehmigen. Insolvenzverwalter führen in der Regel quartalsmäßige Rechnungsabschlüsse, was also praktisch bedeutet, dass diese auch über die 6-wöchige Widerrufsfrist hinaus einen erfolgten Bankeinzug rückgängig machen konnten. Jedenfalls dann, wenn der Schuldner auch mit seiner Bank einen quartalsmäßigen Rechnungsabschluss vereinbart hatte. So konnten selbst Buchungen verschwinden, die sogar 4 – 5 Monate zurücklagen und beim Gläubiger als sicher galten.

Der 11. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes widersprach diesem Urteil schnellstmöglich und urteilte, dass einem Insolvenzverwalter niemals weitergehende Rechte zugesprochen werden dürften als dem Schuldner selbst. Demnach entsprach die nachträgliche Rückführung von Lastschriften im Rahmen des Einzugsermächtigungsverfahrens dem § 826 BGB, der Regelung  über die „sittenwidrige vorsätzliche Schädigung“.

Gegenseitige Urteilsstützung

In zwei noch aktuellen Urteilen unterstützten sich die Senate erstmals. Um einer größer angelegten Streitklärung im Großen Senat für Zivilsachen entgegenzuwirken, haben sich diese rechtlich angenähert und einheitliche Rechtsgrundsätze über die Insolvenzfestigkeit von per Einzugsermächtigungslastschrift bewirkten Zahlungen festgelegt.

In Kurzfassung ist danach eine Zahlung, die nach dem im November 2009 eingeführten SEPA-Lastschriftverfahrens bewirkt wird, insolvenzfest. Dem gegenüber sind die älteren Lastschrifteinzüge nicht insolvenzfest – also die, die nach dem gängigen Einzugsermächtigungsprinzip gelaufen sind. Das steht letztendlich in den Urteilen XI ZR 236/07 und IX ZR 37/09.

Auffassung des 11. Bundesgerichtshofsenates

Das bis dato so gehandhabte nationale Einzugsermächtigungsverfahren zur Lastschrift kann seit Eintritt des neuen Zahlungsdienstrechts rechtswirksam auf SEPA umgestellt werden. Demnach sei die Wirksamkeit einer Buchung davon abhängig, ob der Schuldner diese gegenüber seiner Bank genehmigt. Eine solche Genehmigung ist einmalig gültig.

Bis dahin wurde es so praktiziert, dass alle noch nicht genehmigten Lastschriften (also prinzipiell jede Lastschrift, solange der Schuldner diese nicht einzeln per Vollmacht genehmigt hat) von Insolvenzverwaltern zurückgebucht werden konnten, wenn dieser sie nicht genehmigt. Das führte natürlich zu Interessenkonflikten zwischen Gläubigern und Schuldnern, bzw. den Insolvenzverwaltern.

Das Problem wurde behoben, indem man entschied, dass der Schuldner mit Erteilung einer Einzugsermächtigung auch gleichzeitig die Einwilligung zur Belastung seines Bankkontos an seine Bank gibt. So ist also für die Wirksamkeit eines Zahlungsvorgangs nach der Umsetzung der SEPA-Richtlinien lediglich ausschlaggebend, ob der Schuldner einer Zahlung zugestimmt hat – und das hat er mit Erteilung des SEPA-Mandats.

Dem Gläubiger wiederum wurde das Recht zugesprochen, erst 8 Wochen nach der Belastungsbuchung seine langfristig gesicherte Rechtsposition über den Betrag der Zahlung zu erlangen – jedoch in der Annahme, dass Leistung und Bezahlung nicht erst nach dieser 8-wöchigen Frist getauscht werden. Wenn es sich nun aber so verhält, dass der Gläubiger vom Schuldner Geld fordert, aber nach Ablauf der 8 Wochen noch keine Leistung erbracht hat, dann kann der Schuldner noch immer einen Widerrufsanspruch aufgrund der Nichterfüllung des Vertrages gültig machen.

Bekräftigung durch den 9. Bundesgerichtshofsenat

In seiner Entscheidung unter dem Aktenzeichen IX ZR 37/09 am 20.07.2010 wurde diese Rechtsauffassung bekräftigt. Er vertritt die Ansicht, dass die systematische Genehmigung oder Ablehnung von Lastschriften durch den Insolvenzverwalter letztendlich zu unannehmbaren Ergebnissen führt. Der Insolvenzverwalter soll nicht allen Lastschriften widersprechen können, nur weil sie faktisch noch nicht komplett vollzogen sind – nur um die Insolvenzmasse zu erhöhen. Der Verwalter soll hingegen der Weisung gebunden sein, die Widerspruchsmöglichkeiten in Anspruch zu nehmen, wenn Zahlungsgenehmigungen ohnehin später anfechtbar würden. Ansonsten gilt, wenn die Summe der Soll-Buchungen den Pfändungsschonbetrag gem. § 850 k Abs. 1 ff. ZPO nicht überragt, dürfen Lastschriften nicht mehr widerrufen werden.

Die Entscheidungen leiten eine übersichtliche Rechtsordnung in der Streitfrage ein. Pauschale Lastschriftwiderrufshandlungen durch den Insolvenzverwalter sind damit nämlich nicht mehr zulässig. Letztendlich hat der Schuldner die Entscheidungsgewalt über Lastschriften, solange diese nur dem Pfändungsschonvermögen entsprechen.

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