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Anspruch auf Netzausbau besteht, wenn pot. Anlagenbetreiber eine Baugenehmigung hat und das Grundstück durch Vertrag gesichert ist

In einer Entscheidung vom 18.7.2007, Az: VIII ZR 288/05,  [1] hat sich der BGH zu der Frage geäußert, inwieweit für den Anspruch gegen den Netzbetreiber auf Netzausbau eine Anlage bereits errichtet sein muß.Eine Maßnahme des Netzausbaus ist es, wenn eine Anlage zur Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien an eine Station eines bestehenden Netzes angeschlossen wird und  aus diesem Anlass von der betreffenden Station eine neue Leitung zu einer anderen Netzstation errichtet. Demzufolge muss der Netzbetreiber die Kosten dafür übernehmen.

Sachverhalt

Im Juni 2003 erteilte der Bürgermeister der Stadt C. eine Baugenehmigung für die Errichtung einer Windenergieanlage. Die Beklagte betreibt im Gebiet der Stadt C. das örtliche Stromnetz. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1 forderte die Beklagte nach ergebnislosem Schriftwechsel mit Schreiben vom 30. Juni 2003 auf, bis zum 30. September 2003 ihr Stromnetz zum Zwecke des Anschlusses der geplanten Windenergieanlage auszubauen. Am 7. Juli 2003 schloss die Klägerin zu 1  einen Nutzungsvertrag über das  Grundstück, auf dem nunmehr sie die Windenergieanlage errichten will. Die Stadt C. erklärte sich am 7. November 2003 mit dem Bauherrenwechsel einverstanden.  Mit Anwaltsschreiben vom 11. November 2003 verlangte die Klägerin zu 1 von der Beklagten, bis zum 25. November 2003 mitzuteilen, dass die Anlage an einer näher bezeichneten Trafostation an das Stromnetz angeschlossen werden könne.
Die Kläger zu 2 und 3 forderten die Beklagte nach fruchtlosen Verhandlungen mit einem gemeinsamen Anwaltsschreiben vom 18. Dezember 2003 unter Fristsetzung zum 31. Dezember 2003 auf anzuerkennen, dass die von ihnen projektierten Windenergieanlagen an einer bestimmten Trafo- beziehungsweise Maststation an das Stromnetz angeschlossen werden könnten.

Das 10 kV-Stromnetz der Beklagten ist im Bereich der betreffenden Stationen, die jeweils in unmittelbarer Nähe der geplanten Windenergieanlagen liegen, ohne kostenaufwendigen Ausbau zur Aufnahme des Stroms aus den Anlagen technisch nicht geeignet. Deswegen bot die Beklagte den Klägern im Verlauf der Verhandlungen an, die Anlagen an das – jeweils etwa zehn Kilometer entfernte – Schalthaus Nord anzuschließen, das hierfür ohne Netzausbau technisch geeignet ist. Dies lehnten die Kläger wegen der erheblich höheren Anschlusskosten ab und forderten die Beklagte auf, ihrerseits eine neue Leitung von den genannten Stationen zu dem Schalthaus Nord zu errichten.

Entscheidungsgründe

1. Die Klage ist zulässig

Der Anspruch auf Netzausbau folgt nicht dem Anspruch auf Netzanschluss der Anlage sowie auf Abnahme und Übertragung des Stroms aus der Anlage. Vielmehr sind beide Ansprüche nach § 4 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 Halbs. 1 EEG in der Weise rechtlich verknüpft, dass der erstgenannte Anspruch dazu dient, notfalls die ursprünglich fehlende Voraussetzung des zweitgenannten Anspruches, dass das Netz technisch für den Anschluss der Anlage sowie die Abnahme und Übertragung des Stroms aus der Anlage geeignet ist, erst herbeizuführen. Danach setzt gegebenenfalls der Anspruch auf Netzanschluss der Anlage sowie auf Abnahme und Übertragung des Stroms aus der Anlage den Anspruch auf Netzausbau voraus und nicht umgekehrt. Demgemäß erfordert der Anspruch auf Netzausbau auch nicht, dass die Windenergieanlage bereits anschlussfertig errichtet ist.
Dagegen spricht im Übrigen, dass § 4 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 EEG als Anspruchsberechtigten nicht wie § 4 Abs. 1 Satz 1 EEG den “Anlagenbetreiber”, sondern den “Einspeisewilligen” anführt. Aus dieser Unterscheidung ergibt sich im Gegenteil, dass der Anspruchsberechtigte eine Anlage noch nicht betreiben und demgemäß auch noch nicht errichtet haben muss, sondern hierzu lediglich willens sein muss.

 

2. Anspruch auf Netzausbau

Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 EEG trifft die Verpflichtung zum Netzanschluss der Anlage sowie zur Abnahme und Übertragung des Stroms aus der Anlage den Betreiber des Netzes, das zum einen die kürzeste Entfernung zum Standort der Anlage hat und das zum anderen technisch für die Aufnahme des Stroms aus der Anlage geeignet ist. Für beide Voraussetzungen gelten indessen Besonderheiten:

Auf die kürzeste Entfernung kommt es ausnahmsweise nicht an, wenn entweder ein anderes Netz oder dasselbe Netz einen technisch und wirtschaftlich günstigeren Verknüpfungspunkt aufweist. Zu diesem Zweck ist ein Kostenvergleich durchzuführen, bei dem, losgelöst von der jeweiligen Kostentragungspflicht, die Gesamtkosten miteinander zu vergleichen sind, die bei den verschiedenen Ausführungsmöglichkeiten für den Anschluss der betreffenden Anlage sowie für den Netzausbau anfallen.

Die Voraussetzungen dieser Ausnahme (“wenn nicht”) hat gegebenenfalls der hierdurch begünstigte Netzbetreiber darzulegen und zu beweisen.
Ein Netz gilt auch dann als technisch geeignet, wenn die Abnahme des Stroms erst durch einen wirtschaftlich zumutbaren Ausbau des Netzes möglich wird. Wirtschaftlich zumutbar ist es noch, wenn die Kosten hierfür 25 Prozent der Kosten der Errichtung der Stromerzeugungsanlage nicht überschreiten. In diesem Fall hat der Einspeisewillige einen Anspruch auf Netzausbau.

Dieser Anspruch hat demgemäß seinerseits zur Voraussetzung, dass das Netz, dessen Ausbau begehrt wird, an dem gewünschten Verknüpfungspunkt die kürzeste Entfernung zum Standort der Anlage aufweist, dort jedoch technisch zur Aufnahme des Stroms aus der Anlage nicht geeignet ist. Selbst wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, besteht der Anspruch gleichwohl nicht, wenn dasselbe oder ein anderes Netz einen technisch und wirtschaftlich günstigeren Verknüpfungspunkt aufweist. Ist das nicht der Fall, setzt der Anspruch aus § 4 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 EEG weiter voraus, dass der Ausbau des Netzes dessen Betreiber wirtschaftlich zumutbar ist.

Lt. BGH ist jedoch in diesem Fall noch offen, ob das Netz der Beklagten mit dem Schalthaus Nord oder namentlich dem Schalthaus Süd einen wirtschaftlich günstigeren Netzverknüpfungspunkt aufweist als die beiden 10 kV-Stationen, noch kann beurteilt werden, ob ein Netzausbau erforderlich und dieser gegebenenfalls der Beklagten zumutbar ist.
Es fehlt hinsichtlich der verschiedenen Anschlussmöglichkeiten an einem Kostenvergleich.

Aber:

Die Errichtung einer neuen Leitung von den beiden 10 kV-Stationen zum Schalthaus Nord ist auf jeden Fall eine Maßnahme des Netzausbaus, für die  der Netzbetreiber die Kosten zu tragen hat. Bei der beabsichtigten Ausführung werden die projektierten Windenergieanlagen gerade nicht über die neu zu errichtende Leitung am Schalthaus Nord an das Netz der Beklagten angeschlossen; vielmehr erfolgt der Netzanschluss an die beiden 10 kV-Stationen und dient die neu zu errichtende Leitung der Weiterleitung des Stroms zum Schalthaus Nord. Damit handelt es sich bei der  Errichtung einer neuen Leitung von den beiden 10 kV-Stationen zum Schalthaus Nord um eine rein netzinterne Maßnahme und deswegen um einen Netzausbau.