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Urteil des EuGH eröffnet Widerspruchsrechte in alten Lebensversicherungsverträgen und Rentenversicherungsverträgen

Der EuGH hat in einem Urteil vom 19.12.2013, Az:_ c – 209/12 [1] gesetzliche Regelungen, die in Lebensversicherungsverträgen  und Rentenversicherungsverträgen übernommen wurden, für nicht vereinbar mit europäischen Recht erklärt.

Das von einem deutschen Verbraucher geführte Verfahren hatte zum Inhalt, die Rechtmäßigkeit einer in den Jahren von 1994-2007 in Versicherungsverträgen zu Grunde liegenden Fristenregelung in § 5 Abs. 2 Satz 4 VVG a. F. zu klären.

Die Regelung des § 5a VVG a.F. lautete wie folgt:

(1) Hat der Versicherer dem Versicherungsnehmer bei Antragstellung die Versicherungsbedingungen nicht übergeben oder eine Verbraucherinformation nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes unterlassen, so gilt der Vertrag auf der Grundlage des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformation als abgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von vierzehn Tagen nach Überlassung der Unterlagen in Textform widerspricht. Bei Lebensversicherungsverträgen beträgt die Frist 30 Tage. Satz 1 ist nicht auf Versicherungsverträge bei Pensionskassen anzuwenden, die auf arbeitsvertraglichen Regelungen beruhen. § 5 [2] bleibt unberührt.
(2) Der Lauf der Frist beginnt erst, wenn dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Unterlagen nach Absatz 1 vollständig vorliegen und der Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheins schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden ist. Der Nachweis über den Zugang der Unterlagen obliegt dem Versicherer. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs. Abweichend von Satz 1 erlischt das Recht zum Widerspruch jedoch ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie.
(3) Gewährt der Versicherer auf besonderen Antrag des Versicherungsnehmers sofortigen Versicherungsschutz, so kann der Verzicht auf Überlassung der Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformation bei Vertragsschluß vereinbart werden. Die Unterlagen sind dem Versicherungsnehmer auf Anforderung, spätestens mit dem Versicherungsschein zu überlassen. Wenn der Versicherungsvertrag sofortigen Versicherungsschutz gewährt, hat der Versicherungsnehmer insoweit kein Widerspruchsrecht nach Absatz 1.

Diese Regelung beinhaltete somit in Absatz 2 Satz 4, , dass das Widerspruchsrecht des Versicherungsnehmers spätestens dann erlosch, wenn seit Zahlung der 1. Prämie ein Jahr vergangen war. Auf den Umstand, ob der Vertragsschluss ordnungsgemäß zustande gekommen war und ob der Kunde ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht informiert worden war, kam es dann nicht mehr an.
Der deutsche Gesetzgeber wollte damit Rechtssicherheit schaffen.

Betroffen davon sind insbesondere Verträge, die nach dem sogenannten Policenmodell abgeschlossen wurden. Bei diesem Policenmodell erhielt der Versicherungsnehmer seine Vertragsbedingungen und die Verbraucherinformation zusammen mit der Versicherungspolice.
Der Versicherungsvertrag kam zustande, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb der Widerspruchsfrist von 14 Tagen (bei Lebensversicherungen seit Ende 2004 : 30 Tage) nach Überlassung der Unterlagen seinen Widerspruch erklärte.

Der EuGH urteilte jedoch, dass diese Ausschlussfrist gegen europäisches Recht verstößt. Sofern ein Verbraucher im konkreten Fall nachweislich nicht oder falsch über sein Widerrufs recht/Widerspruchsrecht belehrt worden sei, er es somit nicht kenne, so kann er dieses auch unabhängig von einer zeitlichen Befristung später noch ausüben. Der Verbraucher sei insoweit schutzbedürftige als die Versicherung.

Dies bedeutet folglich, dass alle Versicherungen, welche im Zeitraum 1904 90-2007 abgeschlossen wurden, auch heute noch widerrufen werden könnten. Voraussetzung dafür ist, dass der Versicherungsnehmer entweder überhaupt nicht über seinen Widerruf-/Wideruspruchsrecht belehrt wurde, oder inhaltlich fehlerhaft.
Dies bleibt eine Prüfung im jeweiligen Einzelfall vorbehalten.

Nach diesem Urteil hat sich der Bundesgerichtshof in 2 Entscheidungen mit der Umsetzung dieser EuGH Rechtsprechung auseinandergesetzt. Dazu verweisen wir auf den diesbezüglichen konkreten Artikel.

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Spiegelberg
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Bank [3]– und Kapitalmarktrecht
Rostock