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Der Zinseszins und der “Josefspfennig”

Das menschliche Gehirn ist grundsätzlich nicht dafür geschaffen, exponentiell zu denken. Vielmehr schaffen wir es nur, lineare Vorgänge zu begreifen.
Ein linearer Vorgang ist es beispielsweise, wenn eine Wirtschaft jedes Jahr um 2 % wächst. Dann entsteht bildlich eine leicht ansteigende Gerade.

Dem gegenüber steht eine exponentielle Funktion. Eine solche exponentielle Funktion stellt die Zinseszinsformel dar. Der wesentliche Unterschied zu einer linearen Funktion ist, dass es einen Exponenten gibt, welcher die Grundformen multipliziert. Stellt man diese Formel in einem Diagramm dar, so ergibt sich eine kurve, welche zu Anfang kaum ansteigt, mit zunehmendem Exponenten aber dann extrem steigend nahezu senkrecht nach oben ansteigt.

Die Zinseszinsformel lautet:

Zinseszinsformel

Kn=K0(1+p/100)n

Dabei gilt:

Das entscheidende ist dabei der Jahresfaktor, dargestellt durch ” n ” . Der Exponent ist somit eine Hochzahl.

Je mehr Jahre vergehen, desto höher ist der Exponent.
Unser Finanzsystem basiert auf dieser Zinseszinsformel. Daher steigen mit einer zunehmenden Zahl von Jahren sowohl die Guthaben aus Zinserträgen extrem an, gleichzeitig und in gleichem Maße spiegelbildlich nehmen auch die Schulden zu.
Dies bedeutet, dass eine linear wachsende Wirtschaft dauerhaft nicht in der Lage ist, die aufgrund des Zinseszinssystems anfallenden Zinsen zu erwirtschaften.

Wie extrem sich das auswirkt, sei beispielhaft an den 2 nachfolgenden Beispielen plastisch dargestellt:

“Josefspfennig”

Josef von Nazaret legt im Jahre 0 bei der Sparkasse Jerusalem den Betrag von 1 Euro-Cent auf einem Sparbuch an. Die Verzinsung beträgt jährlich 5 %. Die Zinsgewinne werden wieder angelegt.
Im Jahre 2000 finden seine Nachkommen in einer verbeulten Blechbüchse sein Sparbuch. Bei einer nun unternommenen Reise nach Israel entdecken sie, dass es die Sparkasse Jerusalem heute immer noch gibt.
Sie gehen hinein und bitten die Angestellte, doch die Zinsen für die vergangenen 2000 Jahre nachzutragen.

Was müsste die Angestellte in der Sparkasse als aktuelles Guthaben eintragen ?

Das wären  23.911.022.046.136.200.000.000.000.000.000.000.000.000 €.

Bei einem in dieser Berechnung angenommenen Preis von 9.500 € für 1 kg Gold während dies in etwa 420 Milliarden Erden aus purem Gold, oder 1,26 Millionen Sonnen aus purem Gold.

Wäre dagegen immer nur der Ausgangsbetrag von 1 ct verzinst worden – ohne eine Verzinsung der Zinsgewinne – läge das Endkapital im Jahre 2000 bei genau  1,01 €.

“Schachbrett mit Reiskörnern”

Im Orient erzählten sich die Menschen einst dieses Märchen:
Es war einmal ein kluger Höfling, der seinem König ein kostbares Schachbrett schenkte. Der König war über den Zeitvertreib sehr dankbar, weil er sich mit seinen Ministern bei Hofe oft ein wenig langweilte. So sprach er zu seinem Höfling: “Sage mir, wie ich dich zum Dank für dieses wunderschöne Geschenk belohnen kann. Ich werde dir jeden Wunsch erfüllen.”
Nachdenklich rieb der Höfling seine Nase. Nachdem er eine Weile nachgedacht hatte, sagte er: “Nichts weiter will ich, edler Gebieter, als daß Ihr das Schachbrett mit Reis auffüllen möget. Legt ein Reiskorn auf das erste Feld, und dann auf jedes weitere Feld stets die doppelte Anzahl an Körnern. Also zwei Reiskörner auf das zweite Feld, vier Reiskörner auf das dritte, acht auf das vierte und so fort.” Der König war erstaunt. “Es ehrt dich, lieber Höfling, daß du einen so bescheidenen Wunsch äußerst”, sprach er. “Er möge dir auf der Stelle erfüllt werden.” Der Höfling lächelte, eine Spur zu breit vielleicht, und verneigte sich tief vor seinem Herrscher.
Sofort traten Diener mit einem Sack Reis herbei und schickten sich an, die Felder auf dem Schachbrett nach den Wünschen des Höflings zu füllen. Bald stellten sie fest, daß ein Sack Reis gar nicht ausreichen würde, und ließen noch mehr Säcke aus dem Getreidespeicher holen.

64 Felder hatte das Schachspiel. Schon das zehnte Feld mußte für den Höfling mit 512 Körnern gefüllt werden. Beim 21. Feld waren es schon über eine Million Körner. Und beim 64. Feld stellten die Diener fest, daß es im ganzen Reich des Königs nicht genug Reiskörner gab, um es aufzufüllen. Mit seinem Wunsch wurde der Höfling zum reichsten Mann im ganzen Land, und der König wünschte, er hätte ihm nie etwas geschuldet.