Der Bundesgerichtshof entschied am 22.7.2010, dass ein Bauvertrag dann nach § 311 b Abs. 1 Satz 1 BGB beurkundungspflichtig ist, wenn er mit dem Grundstückskaufvertrag eine rechtliche Einheit bildet. Eine solche Einheit besteht, wenn die Vertragsparteien den Willen haben, beide Verträge in der Weise miteinander zu verknüpfen, dass sie miteinander stehen und fallen sollen. Sind die Verträge nicht wechselseitig voneinander abhängig, ist der Bauvertrag nur dann beurkundungsbedürftig, wenn das Grundstücksgeschäft von ihm abhängt.
Ein Bauvertrag kann auch dann beurkundungsbedürftig sein, wenn er vor einem Grundstückskaufvertrag geschlossen wird und die Parteien des Bauvertrages nicht identisch sind mit den Parteien des bevorstehenden Grundstückskaufvertrages. In diesem Fall ist ein Bauvertrag beurkundungsbedürftig, wenn die Parteien des Bauvertrages übereinstimmend davon ausgehen, dass der Grundstückserwerb nach dem Willen der Parteien des Kaufvertrages von dem Bauvertrag abhängt.
Sachverhalt
Die Klägerin begehrt von den Beklagten nach vorzeitiger Beendigung eines Bauvertrags Werklohn abzüglich ersparter Aufwendungen.
Die Beklagten beauftragten durch schriftlichen Vertrag vom 8./11. Oktober 2006 die Klägerin mit der Errichtung eines Einfamilienhauses auf einem näher bezeichneten Grundstück in W., das nicht im Eigentum der Beklagten stand. § 10 (Sondervereinbarungen) des Vertrages lautet:
“Der Bauherr erhält ein kostenfreies Rücktrittsrecht vom Bauvertrag sollte er das Grundstück … nicht erwerben.
Angestrebt ist eine Grenzbebauung der Nebengebäude und sollte im Rahmen einer Bauvoranfrage mit dem zuständigen Bauamt abgestimmt werden.”
Zu einem Erwerb des Grundstücks durch die Beklagten kam es nicht. Diese teilten der Klägerin mit Schreiben vom 17. Oktober 2006 mit, sie machten von ihrem Rücktrittsrecht Gebrauch. Nach Ansicht der Klägerin liegen die Voraussetzungen für einen Rücktritt nicht vor. Sie wertet das Schreiben der Beklagten als Kündigung des Vertrags und hat auf dieser Basis eine ihr zustehende Vergütung von 58.269,58 € errechnet.
Entscheidung
Nach dem BGH ist der Bauvertrag unwirksam
1. Zwar ist es richtig, dass der Bauvertrag eine Verpflichtung der Beklagten zum Erwerb des Baugrundstücks nicht enthält. Das Berufungsgericht übersieht jedoch, dass sich der Formzwang des § 311 b Abs. 1 Satz 1 BGB dann auf einen Bauvertrag erstreckt, wenn dieser mit dem vorgesehenen Vertrag über den Erwerb des Grundstücks eine rechtliche Einheit bildet. Eine solche besteht, wenn die Vertragsparteien den Willen haben, beide Verträge in der Weise miteinander zu verknüpfen, dass sie miteinander stehen und fallen sollen (BGH, Urteil vom 6. Dezember 1979 – VII ZR 313/78, BGHZ 76, 43, 48 f.;
Sind die Verträge allerdings nicht wechselseitig voneinander abhängig, kommt eine Ausdehnung des Formerfordernisses des § 311 b Abs. 1 Satz 1 BGB auf den Bauvertrag nur in Betracht, wenn das Grundstücksgeschäft vom Bauvertrag abhängt (BGH, Urteil vom 13. Juni 2002 – VII ZR 321/00, aaO).
2. Das Berufungsgericht hat sich mit diesen rechtlichen Voraussetzungen für eine Beurkundungsbedürftigkeit des Bauvertrages nicht befasst. Seine Erwägungen sind nicht geeignet, die Beurkundungsbedürftigkeit des Bauvertrages zu verneinen.
Allein der Umstand, dass im Bauvertrag der Grundstückserwerb nicht geregelt ist, steht einer rechtlichen Einheit von Bau- und Grundstückskaufvertrag nicht entgegen.
Diese Einheit kann auch dann vorliegen, wenn beide Verträge nicht in einer Urkunde enthalten sind, sondern nacheinander geschlossen werden und sogar dann, wenn die Parteien des Bauvertrages nicht identisch sind mit den Parteien des Grundstückskaufvertrages . Die Vereinbarung eines Rücktrittsrechts in einem Vertrag steht der rechtlichen Einheit mit einem anderen Vertrag nicht entgegen .
Das Berufungsgericht wird prüfen müssen, ob die Voraussetzungen dafür vorliegen, dass der Bauvertrag beurkundet werden muss, um Wirksamkeit zu erlangen.
Insoweit ist auf Folgendes hinzuweisen:
Der Bauvertrag ist an sich formfrei wirksam. Er kann aber selbst dann, wenn er vor einem Grundstückskaufvertrag geschlossen wird, der Beurkundung bedürfen, um Wirksamkeit zu erlangen.
Maßgeblich kann in diesem Fall nicht der tatsächliche Wille der Parteien des Grundstückskaufvertrages sein, denn dieser ist in aller Regel vor Abschluss des Bauvertrages nicht feststellbar. Vielmehr ist zu prüfen, ob nach dem Willen der Bauvertragsparteien der für die Bebauung notwendige Grundstückserwerb von dem Bauvertrag in der Weise abhängen soll, dass beide Verträge miteinander stehen und fallen.
Es reicht nicht aus, dass die Parteien eine Abhängigkeit des Bauvertrages vom zukünftigen Grundstückserwerb wollen. Vielmehr müssen sie gemeinsam davon ausgehen, dass dieser Grundstückserwerb nach dem Willen der Parteien des Kaufvertrages von dem Bauvertrag abhängt. Denn maßgeblich für die Beurkundungspflicht ist die Abhängigkeit des Grundstücksvertrages von einer etwaigen anderen Abrede. Nur diese Abhängigkeit erlaubt den Rückgriff auf § 311 b BGB.
Ausreichend ist, dass in dem dem Grundstückserwerb vorgezogenen Geschäft ein Verknüpfungswille vorhanden ist, der den Willen aller Beteiligten einbezieht. Denn es kann keinen Unterschied machen, ob der Bauvertrag vor dem Grundstückskaufvertrag, gleichzeitig mit ihm oder später geschlossen wird.
Ein solcher Verknüpfungswille kann nicht schon deshalb angenommen werden, weil der Besteller für die Durchführung eines Bauvertrages ein Grundstück benötigt. Auch der Umstand, dass der Bauvertrag auf einem bestimmten, bereits ins Auge gefassten Grundstück ausgeführt werden soll, reicht für sich genommen nicht.
Ein Wille, die Verträge in der notwendigen Weise zu einer rechtlichen Einheit zu verknüpfen, kommt aber dann in Betracht, wenn die Parteien des Bauvertrages und diejenigen des Kaufvertrages identisch sind oder der Bauunternehmer maßgeblichen Einfluss auf die Durchführung des Kaufvertrages hat. Er wird dann häufig dadurch im Bauvertrag manifestiert, dass die Bebauung auf einem bestimmten Grundstück erfolgen soll (BGH, Urteil vom 6. November 1980 – VII ZR 12/80, BGHZ 78, 346 ff.; Urteil vom 16. Dezember 1993 – VII ZR 25/93, BauR 1994, 239 = ZfBR 1994, 122 und zum Baubetreuungsvertrag Urteil vom 12. Februar 2009 – VII ZR 230/07, aaO). Hat der Bauunternehmer hingegen keine Einflussmöglichkeit auf die Durchführung des Kaufvertrages, bedarf es anderer, besonderer Umstände, die den Schluss zulassen, der Bauvertrag sei beurkundungsbedürftig (vgl. auch BGH, Urteil vom 22. März 1991 – V ZR 318/89, NJW-RR 1991, 1031, 1032).