Uns liegt ein weiteres, für Anleger positives Urteil vor, welches die Forderung des Insolvenzverwalters der MS „Scandia” Schiffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG zurückweist.
1. Rückforderung von Ausschüttungen – grundsätzliches
Die MS „Scandia“ wurde im Handelsregister des Amtsgerichts Hamburg zur Registernummer: HRA 92664 eingetragen.
Das Amtsgericht Hamburg (Beschluss vom 06.09.2013 – 67c IN 321/13) hat über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet und Herrn Rechtsanwalt Reimer zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Insolvenzverwalter hatte von Anlegern die Ausschüttungen aus den Jahren 2002 – 2007 zurückverlangt. Somit drohte den Anlegern nicht nur der Verlust ihrer ursprünglichen Einlage, sondern auch noch die Rückzahlung erhaltener Ausschüttungen.
Der Insolvenzverwalter muss darlegen und beweisen, dass die Leistung des Kommanditisten zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist. Die Darlegung- und Beweislast hinsichtlich der Forderungen, für die der Kommanditist haftet, trägt nach allgemeinen Regeln der Insolvenzverwalter. Da die i. S. d. § 178 InsO festgestellten Forderungen in ihrem Bestand und in ihrer Höhe für die Anleger bindend sind, genügt es im Rahmen der Darlegung durch den Insolvenzverwalter zunächst, wenn er die Insolvenztabelle i. S. d. § 175 InsO vorlegt. Aber auch diese muss auf die Richtigkeit geprüft werden.
a) Insolvenztabelle: 8,4 Mio. €
In dem Insolvenzverfahren haben 25 Gläubiger Forderungen in Höhe von ca. 8,4 Mio. € zur Tabelle angemeldet.
Das Finanzamt (Nr. 5) meldete ursprünglich eine Forderung wegen Gewerbesteuer in Höhe von 2,1 Mio. € an, reduzierte sie später auf ca. 1 Mio. €.
Eine Bank (Nr. 18) forderte zunächst über 5,4 Mio. €. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens verkaufte die Gesellschaft das Containerschiff für 4,6 Mio. €. Unter Berücksichtigung des Verkaufserlöses des Schiffes wurde die Forderung auf 1,7 Mio. € reduziert.
b) Insolvenzmasse 2,4 Mio. €
Zum Zeitpunkt der Klageerhebung wiesen die Insolvenzanderkonten Beträge von ca. 2 Mio. € sowie 493.000 $ auf. Es war somit eine Masse von knapp 2,4 Mio. € vorhanden.
c) Berechnung der Masseverbindlichkeiten
Der Insolvenzverwalter machte zunächst folgende Angaben (aufgerundet) zu den wirtschaftlichen Verhältnissen:
Guthaben Anderkonto: 3,4 Mio. €
– Masseforderung Finanzamt: 1 Mio. €
– festgestellte Forderung: 684.000 €
– für den Ausfall festgestellte Forderung (Nr. 15): 1,7 Mio. €
– bestrittene Forderung: 152.000 € (ohne Verfahrenskosten)
= -130.000 €
2. Klage des Insolvenzverwalters abgewiesen – konkret
Im Klageverfahren war der Insolvenzverwalter der Meinung, dass er seiner Darlegungs- und Beweislast durch Vorlage der Insolvenztabelle genügt habe.
Das AG Gießen (Urteil vom 24.05.2018 – 49 C 11/17) hat entschieden, dass der verklagte Anleger der MS „Scandia” Schiffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG die Ausschüttungen nicht an den Insolvenzverwalter zurückzahlen muss. Die Berechnung des Gerichts ergab, dass genügend Masse vorhanden war, um die Forderungen der Gläubiger im Insolvenzverfahren zu begleichen.
a) keine Insolvenzforderung nach § 38 InsO
Die vom Insolvenzverwalter geltend gemachte Gläubigerforderung des Finanzamts (Nr. 5.) in Höhe von 1 Mio. € hat für die Bewertung, ob die Haftsumme für die Befriedigung der Insolvenzgläubiger erforderlich ist, außer Betracht zu bleiben, da es sich insoweit um eine Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO und nicht um eine Insolvenzforderung nach § 38 InsO handelt.
§ 38 InsO legt fest, dass die Insolvenzmasse der gemeinschaftlichen Befriedigung aller Forderungen der Insolvenzgläubiger zu dienen hat und definiert den Begriff der Insolvenzgläubiger. Danach haftet die Insolvenzmasse nur
• persönlichen Gläubigern,
• die einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahren
• begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben.
Die Masseansprüche (§§ 54, 55 InsO) entstehen grundsätzlich erst nach Eröffnung der Insolvenz, werden aber im Insolvenzverfahren aus der Masse berichtigt. Grund: sonst könnte das Insolvenzverfahren nicht abgewickelt werden. Allerdings sind die Massegläubiger keine Insolvenzgläubiger gemäß § 38 InsO.
b) Neuberechnung der Masseverbindlichkeiten
Es verblieben nunmehr folgende Gläubigerforderungen (aufgerundet):
– festgestellte Forderung: 684.000 €
– Forderung (Nr. 15): 1,7 Mio. €
– bestrittene Forderung: 152.000 € (ohne Verfahrenskosten)
= 2,5 Mio. €
Nach dieser Berechnung des Gerichts ist die vorhandene Masse somit ausreichend, um die Gläubigerforderungen in Gänze zu bedienen.
Zwar kann in diesem Zusammenhang nicht auf den gesamten Anderkontobestand abgestellt werden, da aus diesem dem Grunde nach vorrangig die Masseverbindlichkeiten gemäß § 209 InsO zu begleichen sind. Dies gilt allerdings nicht für die Beträge, die sich rechnerisch aus den nach § 171 Abs. 2 HGB eingeforderten Leistungen von Kommanditisten ergeben. Diese Leistungen sind rechnerisch als Sondermasse zu verwalten und entsprechend zu verteilen, also ausschließlich auf die bestehenden „Altverbindlichkeiten“ (vgl. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn a.a.O. Rz. 95 zu § 171; Haas/Mock a.a.O. Rz. 86 zu § 176 HGB; BGH vom 10.05.1978 – VIII ZR 32/77).
Nach dem eigenen Vorbringen des Insolvenzverwalters hat dieser jedoch am 27.07.2018 bereits einen Betrag in Höhe von 2,6 Mio. € eingezogen. Dieser – ausschließlich für die sogen. Altgläubiger – zu verwendende Betrag deckt jedoch die oben vom Insolvenzverwalter selbst dargestellten Forderungen. Daher war die Klage abzuweisen.
3. Fazit
Dieses Urteil zeigt klar auf, dass Insolvenzverwalter oft zu Unrecht die Ausschüttungen nach § 172 Abs. 4 HGB zurückfordert.
Betroffene Anleger können Hilfe eines auf Bank– und Kapitalmarktrecht spezialisierten Rechtsanwalts in Anspruch nehmen und sich mit Erfolg wehren.
4. unser Angebot – kostenfreie Ersteinschätzung
Ob Ausschüttungen zu Recht oder zu Unrecht zurückverlangt werden, bedarf einer fachgerechten Prüfung. Wir können diese für Sie im Rahmen einer kostenfreien Ersteinschätzung vornehmen. Übersenden Sie uns dazu bitte folgende Unterlagen:
• Zeichnungsschein/Beitrittserklärung
• Gesellschaftsvertrag
• Treuhandvertrag
• Mitteilung, ob und wann eine Sanierung stattfand – wenn ja, in welcher Höhe Sanierungsbeitrag gezahlt wurde
• Zeichnungsschein der Kapitalerhöhung
• Aufforderungsschreiben des Insolvenzverwalters / Fonds / Bank, gegebenenfalls des nachfolgend beauftragten Rechtsanwalts
• Jahresberichte mit Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnungen (gegebenenfalls besteht bei der Gesellschaft ein Internetzugang mit Passwort, dass Ihnen die Möglichkeit zur Einsicht gewährte)
Die Einschätzung ist rechtlich unverbindlich. Das weitere Vorgehen erfolgt nach Absprache.
Dabei werden wir dann ebenso die für die anwaltliche Tätigkeit entstehenden Kosten besprechen.
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Holger Spiegelberg
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht
Rostock