Die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV-Bund) prüft zurzeit verstärkt bei Firmen, ob ihre selbständigen Auftragnehmer auch wirklich selbständig sind. Dabei geht es dem Sozialversicherungsträger dann um die Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen, wenn die Prüfung ergibt, dass die Tätigkeit des Auftragnehmers keine selbstständige Tätigkeit ist, sondern Scheinselbstständigkeit vorliegt.
In aktuellen Fällen hat die DRV-Bund dabei Unterstützung durch die zuständigen Zollämter bekommen, welche neben der Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen häufig auch noch ein strafrechtliches Verfahren wegen Schwarzarbeit einleiten. Dieses Vorgehen stellt eine ernst zunehmende Bedrohung für Ihr Unternehmen dar, gegen welche sie sich schnell und fundiert zu Wehr setzen müssen. Kommt die Deutsche Rentenversicherung nach Anhörung und Prüfung zu der Einschätzung, dass keine selbstständige sondern abhängige Tätigkeit vorliegt, so kann sich der nachgeforderte Betrag für die Sozialversicherungsbeiträge schnell auf bis zu 50.000 € und mehr belaufen.
Nachfolgender Beitrag soll dazu dienen, dem Leser die Problemlage und Handlungsalternativen aufzuzeigen.
1. Sozialversicherungspflicht – Wer ist betroffen?
2. Selbständig – oder scheinselbständig?
3. Prüfung durch den Zoll
4. Anhörung durch die Deutsche Rentenversicherung Bund
5. Rückzahlungsbescheid – was muss ich nun tun?
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1. Sozialversicherungspflicht – wer ist betroffen ?
Allgemein sind alle Arbeitnehmer pflichtversichert. Kennzeichnend für das Vorliegen der Arbeitnehmereigenschaft sind in erster der Abschluss eines Arbeitsvertrages und die sich daraus ergebende, abhängige und weisungsgebundene Tätigkeit.
Demgegenüber besteht für Selbstständige eine solche Sozialversicherungspflicht grundsätzlich nicht. Nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung Bund unterliegen allerdings bestimmte Berufsgruppen wie beispielsweise Künstler, Publizisten und vor allem selbständige mit nur einem Auftraggeber ebenfalls dieser Pflicht.
2. Selbständig – oder scheinselbständig?
Die eigentliche Frage für Zoll und Deutsche Rentenversicherung Bund ist die nach dem Grad der Selbständigkeit. Nicht die Zugehörigkeit der Berufsgruppe an sich ist entscheidend für eine mögliche Rückforderung seitens der Versicherungsträger.
Letztendlich kommt es darauf an, ob tatsächlich selbstständige Tätigkeit vorliegt. Handelt der Selbstständige aber genauso wie ein Arbeitnehmer im normalen Beschäftigungsverhältnis, ist er tatsächlich abhängig beschäftigt und somit sozialversicherungspflichtig. Die DRV-Bund bewertet dies nach bestimmten Merkmalen:
• Tätigkeit nach Weisungen des Auftraggebers
• Vorgabe der Arbeitszeiten durch den Auftraggeber
• Einbindung in betriebliche Abläufe des Auftraggebers
• Regelungen bei Urlaub und Krankheit
• Nutzung von Arbeitsmaterialien Werkzeugen Fahrzeugen des Auftraggebers
• Übernahme der Gewährleistung/ Mangelbeseitigung durch den Selbständigen
• Vorliegen des Unternehmerrisikos und eigenen Kapitaleinsatzes des Selbständigen
• Überwachung/Kontrolle während der Arbeitsdurchführung durch den Auftraggeber
Denn solche Verpflichtungen des „Selbständigen“ geben dem Auftraggeber Kontrollmög-lichkeiten und Einflussnahmen, denen ein wahrer Selbständiger nicht untersteht. Für den Selbständigen ist es hingegen so, dass dieser das unternehmerische Risiko vollumfänglich selbst trägt und dieser sein eigener Herr ist – der Erfolg ist nicht garantiert und unabhän-gig von einer dritten Partei.
Die Deutsche Rentenversicherung wertet bspw. unrichtigerweise Fertigstellungstermine als Arbeitszeiteinteilung durch den Auftraggeber.
Zur Beurteilung dieser Sachlage ist die Ausgestaltung von Verträgen nicht allein ausschlaggebend. Die Deutsche Rentenversicherung Bund gibt an, dass sie die „tatsächlichen Verhältnisse im beruflichen Alltag“ prüft und danach entscheidet. Nach unserer Erfahrung erfolgt die Prüfung jedoch nicht vor Ort, sondern nur vom bequemen Bürostuhl aus und zudem oftmals nur oberflächlich unter Außerachtlassung wesentlicher Kriterien zugunsten des Selbstständigen.
Dazu folgende einfache Beispiele:
a)
Wenn Sie ein selbständiger Kurier sind, so arbeiten Sie in der Regel für die verschiedensten Auftraggeber. Am Montag bittet Sie eine Rentnerin um die Zustellung eines verspäteten Geburtstagsgeschenks für den geliebten Enkel. Am Mittwoch möchte eine Arztpraxis, dass Sie Blutproben in die Uniklinik bringen und am Freitag liefern Sie eine Pizza aus, weil sämtliche eingespannte Fahrer des Pizza-Lieferdienstes ausgefallen sind.
In dem Fall haben Sie mehrere Auftraggeber, die Sie selbständig auswählen. Zudem hängt der Erfolg der Zustellungen von Ihnen allein ab – und somit auch der Erfolg Ihres Unternehmens. Sie sind selbständig und nicht sozialversicherungspflichtig.
b)
Wenn Sie allerdings ein selbständiger Kurier sind, der morgens, mittags und abends nur Aufträge von einem einzigen Lieferdienst annimmt, sieht es erheblich anders aus. Dann sind Sie massiv weisungsgebunden – denn Ihr Hauptauftraggeber gibt Ihnen vor, bis wann Sie etwas auszuliefern haben. Evtl. stellt er ihnen noch ein Fahrzeug und ein Büro zur Verfügung – nun ist Ihr unternehmerischer Erfolg von ihrem einzigen Auftraggeber abhängig.
Bei derartig ausgestalteten Tätigkeitsverhältnissen sieht die Deutsche Rentenversicherung darin ein klassisches Arbeitsverhältnis und verlangt die Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen für den Zeitraum der „ selbstständigen „ Tätigkeit.
Die Bewertung, ob selbständige Tätigkeit oder abhängige Beschäftigung vorliegt, muss in der Regel anhand des konkreten einzelnen Falles beurteilt werden. Diese Beurteilung findet anhand der oben genannten Kriterien statt.
Es ist daher ungeheuer wichtig, bereits bei der ersten Anhörung durch die Deutsche Rentenversicherung den Sachverhalt peinlich genau unter Berücksichtigung dieser Kriterien darzustellen. In der Regel sind nachträgliche Korrekturen kaum möglich oder werden seitens der Deutschen Rentenversicherung (und auch seitens der Gerichte) nicht mehr berücksichtigt. Wir empfehlen daher bereits frühzeitig fachlich kompetente (anwaltliche) Hilfe.
Deshalb ist es auch wichtig, dass Sie bereits bei der Abfassung von Aufträgen an selbstständig Tätige diese Kriterien mit berücksichtigen und dort Übernahme von Gewährleistung, eigene Zeiteinteilung, Benutzung eigenen Werkzeugs etc. regeln. Dieser Auftrag bildet, selbst wenn später auch die tatsächlichen Verhältnisse geprüft werden, einen wesentlichen Anhaltspunkt für die Ausgestaltung des Auftragssverhältnisses.
Auch bei der Erstellung von Rechnungen sollten Selbständige darauf achten, möglichst keine Stundenabrechnung vorzunehmen. Es empfiehlt sich eher, eine konkrete Leistung (z.B. malermäßige Instandsetzung der Wohnung XY) der Abrechnung zu Grunde zu legen
Die Rentenversicherung hat letztendlich kaum andere Möglichkeiten, als sich anhand dieser Papiere entlang zu einem Sachstand zu hangeln. Es empfiehlt sich an dieser Stelle – nochmals dieser Hinweis – fachlich kompetente Prüfung, um die Richtigkeit und Berechtigung der Selbständigkeit festzustellen.
3. Prüfung durch den Zoll
Häufig, aber nicht zwingend beginnt diese Prüfung mit einem Anschreiben durch das für Sie zuständige Hauptzollamt. In einem Anschreiben erhalten Sie die sogenannte Prüfungsverfügung, die gem. §§ 2 ff. Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz ausgefertigt wird und die Prüfer ermächtigt, erforderliche Daten in den Geschäftsräumen des Selbständigen zu sammeln. Dabei berufen sich die Prüfer auf ihr Ziel, herauszufinden, ob Verstöße gegen den § 28a SGB IV vorliegen und ob ggf. Sozialleistungen nach den Sozialgesetzbüchern II und III unrechtmäßig bezogen wurden.
• Der § 28 a SGB IV regelt die gemeinsamen Vorschriften für die Sozialversicherung, insbesondere die Meldepflicht für den Arbeitgeber. Das SGB II regelt die Grundsicherung für Arbeitsuchende, das SGB III die Arbeitsförderung.
Das bedeutet, die Prüfer werden zu einem bestimmten Zeitpunkt beim selbständig Tätigen erscheinen und die erforderlichen Daten erheben. Das kann durch Listenausdrucke aus automatisierten Dateien geschehen. Die Hauptprüfung der entsprechenden Unterlagen und Dateien erfolgt hingegen direkt vor Ort beim mutmaßlichen Arbeitgeber, bzw. Auftraggeber durch Mitarbeiter des Hauptzollamtes. Diese haben sogar das Recht, die Herausgabe und Beschlagnahmung der gegenständlichen Unterlagen, Computer etc. zu verlangen und werden auch Ihre Mitarbeiter und Angestellten zu der Ausgestaltung der Tätigkeit der Selbstständigen befragen.
Ist die Prüfung vollzogen und es finden sich dabei Hinweise auf eine Sozialversicherungspflicht, die nicht eingehalten wurde, wird der Sozialversicherungsträger benachrichtigt – in der Regel die Deutsche Rentenversicherung Bund.
4. Anhörung durch die Deutsche Rentenversicherung Bund
Hat die Deutsche Rentenversicherung Bund die Sache übernommen, so ergeht ein weiteres Schreiben in Form einer Anhörung an Sie. Darin wird in einer Begründung bezeichnet, warum und wieso eine „versicherungsrechtliche Statusüberprüfung“ ergeben hat, dass Sie nun etwas nachzahlen sollen. In der Regel berufen sich die Prüfer auf die oben unter 2. genannten Merkmale für eine abhängige Beschäftigung, wie sie auch im § 7 Abs. 1 SGB IV bezeichnet sind. Nach einer oftmals mehrere Seiten umfassenden Stellungnahme über die Zulässigkeit der Nachforderung folgt dann die Aufforderung zur Stellungnahme binnen 14 Tagen.
Bevor der Prüfdienst einen entsprechenden Nachzahlungsbescheid ausfertigt und Ihnen die Summe anlastet, haben Sie das Recht gem. § 24 Abs. 1 SGB X, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Deshalb wird dieses Schreiben auch als „Anhörung“ bezeichnet.
Erhalten Sie dieses Schreiben, ist größte Eile geboten – sämtliche Alarmglocken sollten bei Ihnen läuten. Jetzt müssen Sie unbedingt tätig werden, um die deutsche Rentenversicherung davon zu überzeugen, dass tatsächlich selbständige Tätigkeit vorliegt. Warten Sie an dieser Stelle ab oder stellen Sie den Sachverhalt nicht detailliert und nachvollziehbar dar, wird die Deutsche Rentenversicherung Bund einen Bescheid erlassen und diesen später kaum noch zurücknehmen. Dann kommen sie nur noch über ein gerichtliches Verfahren zu einer möglicherweise abweichenden Entscheidung. Ihr Ziel muss es sein, den Erlass eines Bescheides zu verhindern.
Daher empfiehlt sich bereits an dieser Stelle dringend fachkompetente Unterstützung, um die Fristen zu wahren und die Vorwürfe fachgerecht prüfen und ausführlich unter Berücksichtigung der Kriterien (Ziffer 2. oben) beantworten zu können.
5. Rückzahlungsbescheid – was tun?
Sie haben das Anhörungsschreiben der Deutschen Rentenversicherung erhalten und auf dieses ausführlich und unter Beifügung konkreter Unterlagen geantwortet.
5.1. Bescheid ist ergangen
Dennoch ist es nach unserer Erfahrung oft der Fall, dass die deutsche Rentenversicherung wesentliche und erhebliche Argumente unberücksichtigt lässt, das Beschäftigungsverhältnis als nichtselbständige Tätigkeit einstuft und einen Bescheid über die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen erlässt. Für die Nachzahlung an die Deutsche Rentenversicherung wird Ihnen regelmäßig eine kurze Frist gesetzt.
Nun sind zwei Dinge wichtig:
a) Widerspruch einlegen, Frist 1 Monat nach Zustellung des Bescheids
Gegen den Bescheid müssen sie Widerspruch bei der Deutschen Rentenversicherung einle-gen, wenn sie der Auffassung sind, die Bewertung der Deutschen Rentenwersicherung ist falsch und es liegt tatsächlich selbständige Tätigkeit vor.
Die Frist zur Einlegung des Widerspruchs beträgt 1 Monat. Sie beginnt mit der Zustellung des Bescheides der Deutschen Rentenversicherung. Diese Zustellung ist spätestens erfolgt, wenn seit dem Datum des Bescheides 3 Tage vergangen sind.
Beispiel:
– Schreiben der Deutschen Rentenversicherung mit Datum 3.10.2015
– Zustellung spätestens nach drei Tagen wird unterstellt- d.h. Zustellung am 6.10.2015
– Frist zur Einlegung des Widerspruchs (1 Monat) endet am 6.11.2015
Lassen Sie die Frist allerdings zwingend von einem Experten prüfen und senden Sie den Bescheid nicht unbedingt am letzten Tag ab. Erfolgt beispielsweise die Zustellung konkret am 5.10.2015, endet die Widerspruchsfrist auch schon am 5.11.2015.
b) Antrag auf Aussetzung der Vollziehung stellen
Zahlungsbescheide der Deutschen Rentenversicherung sind grundsätzlich sofort zu erfüllen, selbst wenn wenn sie einen Widerspruch eingelegt haben. Im Fachjargon heißt dies sofortige Vollziehung. Um diese sofortige Vollziehung zu verhindern, ist parallel zum Widerspruch ein sog. Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bei der Deutschen Rentenversicherung zu stellen. In diesem müssen sie zum Einen begründen, warum sie dem Bescheid für falsch halten (dort können Sie Bezug auf ihren, begründeten, Widerspruch nehmen und zum Anderen müssen sie darstellen, weswegen die sofortige Zahlung für sie ein unzumutbare Härte darstellt (keine finanziellen Mittel vorhanden) und sollten dies auch nachvollziehbar belegen durch zum Beispiel Kontoauszüge, Bestätigung Steuerberater etc.
Mit diesem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung soll erreicht werden, dass ihre Zahlungsverpflichtung so lange zurückgestellt wird, bis eine abschließende Entscheidung in der Hauptsache (liegt eine selbständige Tätigkeit oder abhängige Beschäftigung vor) durch die Behörde oder später durch das Gericht getroffen wurde.
Eine Stundung der Zahlungsverpflichtung ist damit nicht gleichzusetzen. Bei einer Stundung bleibt ihre Zahlungsverpflichtung grundsätzlich bestehen, sie wird nur zeitlich in die Zukunft verschoben. Außerdem besteht kein Zusammenhang mit einer abschließenden Entscheidung in der Hauptsache.
5.2. Widerspruchsbescheid ergeht, Klage beim Sozialgericht
Auf ihren Widerspruch und ggf. ihren Antrag auf Aussetzung der Vollziehung hin muss die Deutsche Rentenversicherung reagieren. Es ergeht ein sogenannter Widerspruchsbescheid.
Gibt sie ihrem Widerspruch statt, hat sich das gesamte Verfahren erledigt und ihre Zahlungsverpflichtung entfällt.
Lehnt die Deutsche Rentenversicherung ihren Widerspruch, wie in der Regel der Fälle, ab, so steht im Widerspruchsbescheid, dass nach wie vor von abhängiger Beschäftigung auszugehen ist und ihre Zahlungsverpflichtung weiter besteht.
Zugleich hat die Behörde über ihren Antrag auf Aussetzung der Zahlungsverpflichtung zu entscheiden. Diesem kann die Deutsche Rentenversicherung stattgeben (z.B. bei nachgewiesen finanziell schlechten Verhältnissen). Sie kann ihn aber auch ablehnen.
Gegen diese für sie nachteiligen Bescheide müssen sie nun wiederum tätig werden und als nächsten Schritt Klage beim zuständigen Sozialgericht einreichen. Mit der Klage wenden sie sich gegen den Bescheid, in welchem ihre Verpflichtung zur Zahlung festgestellt wird.
Wurde zudem ihr Antrag auf vorläufige Aussetzung der Zahlungsverpflichtung abgelehnt, können sie in einem schnellen, sog. einstweiligen, Verfahren einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Zahlungsverpflichtungen beim Sozialgericht stellen.
Auch diesbezüglich sind Fristen einzuhalten, welche im Bescheid mit angegeben werden müssen. Die Frist liegt auch hier in der Regel bei einem Monat nach Zustellung des Widerspruchsbescheides durch die Deutsche Rentenversicherung.
Spätestens an diesem Punkt sind sie nach unserer Erkenntnis auf anwaltliche Hilfe angewiesen.
Sofern Sie in einer vergleichbaren Lage sind, zögern Sie nicht und rufen Sie uns an. Gerne werden wir für Sie tätig bzw. schätzen vorab überschlägig die Situation in ihrer Sache ein.
Rechtsanwalt Holger Spiegelberg
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