Kündigung eines Nutzungsvertrages/Pachtvertrages für Windkraftanlagen – unter welchen Voraussetzungen können Sie einen bereits abgeschlossenen Vertrag kündigen?

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Viele Grundstückseigentümer schließen die inhaltlich und finanziell weitreichenden Nutzungsverträge/Pachtverträge für Windkraftanlagen sehr schnell und häufig ungeprüft ab. Vielfach ist bereits beim ersten Gespräch mit einem sogenannten Flächenakquisiteur die Unterschrift unter dem Vertrag. Dabei wäre es an sich zwingend erforderlich gewesen, den Vertrag rechtlich prüfen und anpassen zu lassen. So zumindest die Erfahrung des Unterzeichners in vielen Jahren seiner Tätigkeit in diesem Bereich.

Wenn eine solche Unterschrift zustande gekommen ist und der Vertrag somit zunächst existiert, stellt sich die Frage, ob der Grundstückseigentümer Möglichkeiten hat, den Vertrag doch noch zu beenden bzw. mit diesen rechtlichen Möglichkeiten in eine Nachverhandlung mit rechtlicher Prüfung kommt.

  1. Widerruf

Die erste Möglichkeit wäre, sich durch einen Widerruf vom Vertrag zu lösen. Bei den Nutzungsverträgen/Pachtverträgen mit privaten Grundstückseigentümern als natürlichen Personen handelt es sich um Verbraucherverträge. Der Unternehmer sehen sich daher oftmals in der Pflicht, den Verbraucher vollständig und richtig über sein Widerrufsrecht zu belehren.

Auch wenn dies in vielen Fällen aufgrund der Verwendung von Musterformularen richtig erfolgt, ist nicht auszuschließen, dass sich dennoch aufgrund von gesetzlichen Neuerungen beispielsweise Änderungen ergeben haben, welche in den Formularen nicht berücksichtigt sind.
Es wurden uns auch schon Verträge vorgelegt, in welchen eine Widerrufsbelehrung vollständig fehlte. dies ist eine spannende Fallgestaltung, da noch nicht eindeutig geklärt ist, ob derartige Nutzungsverträge überhaupt einerWiderrufsbelehrung bedürfen. Denn
in § 312g BGB ist nur dann anzuwenden ist, wenn der Vertrag eine entgeltliche Leistung des Unternehmers zum Gegenstand hat, woran es beim WEA-Nutzungsvertrag fehlt.

Trotz dieser teilweisen Unklarheiten kann sich an dieser Stelle bereits lohnen, sich den Nutzungsvertrag/Pachtvertrag genau anzusehen.

2. Laufzeitklausel

Die Nutzungsverträge/Pachtverträge haben regelmäßig Laufzeiten von bis zu 40 Jahren, gemessen vom Zeitpunkt der Unterzeichnung bis zum vertraglich vereinbarten maximalen Laufzeitende. Die Verträge unterscheiden meistens in mehrere Zeiträume:

a) Zeitraum von der Vertragsunterzeichnung bis zum Vorliegen einer rechtskräftigen Genehmigung

b) Zeitraum vom vorliegende rechtskräftigen Genehmigung bis zur Inbetriebnahme

c) Zeitraum von der Inbetriebnahme bis zum Rückbau

Der Knackpunkt bei der Wirksamkeit von Laufzeitklausel liegt meist im Zeitraum a), also von der Unterschriftsleistung bis zum Vorliegen einer rechtskräftigen Genehmigung.

Das Problem liegt darin, dass die Genehmigungsverfahren an sich schon sehr lange dauern und sich womöglich durch gerichtliche Auseinandersetzungen zeitlich noch weiter unkalkulierbar verlängern können.

Die Projektierer haben ein Interesse, den Grundstückseigentümer natürlich möglichst lange zu binden, um nicht kurz vor dem Vorliegen einer Genehmigung in die Verlegenheit kommen, entweder den gesamten Vertrag zu verlieren oder sich mit dem Grundstückseigentümer zwecks von diesem angestrengter neuer Verhandlungen einigen zu müssen.

Dieser Spagat führt in den Verträgen an dieser Stelle zu oft unklaren Regelungen.
In mehreren obergerichtlichen Entscheidungen in der letzten Zeit wurden die Wirksamkeit von Laufzeitklausel in derartigen Nutzungsverträgen gerichtlich bewertet. Die Gerichte bemängeln vielfach, dass die Verträge durch die Regelung an dieser Stelle eine potenziell endlose und somit unbestimmte Laufzeit vorsehen. Wenn dies der Fall ist, führt das nach einheitlicher gerichtliche Auffassung zur Anwendung von § 580a Abs. 1 Nr. 3 BGB. Danach ist eine Kündigung spätestens am dritten Werktag eines Kalendermonats zum Ablauf des übernächsten Monats bzw. zum Ablauf eines Kalendervierteljahres möglich.

Das bedeutet, sofern die Klausel zur Laufzeit fehlerhaft ist, können Sie kündigen und haben in kurzer Zeit die Möglichkeit, einen neuen Vertrag abzuschließen.

Wichtig zu wissen ist, dass dieses Kündigungsverfahren natürlich dann erschwert ist, wenn Sie der Gesellschaft bereits eine Sicherheit im Grundbuch haben eintragen lassen. Bei dieser Fallgestaltung könnte sich die Gesellschaft weigern, die Eintragung im Grundbuch löschen zu lassen und versuchen, eine Nachverhandlung zu erzwingen. Vielleicht ist damit ihr Ziel jedoch auch schon erreicht. Ein an sonsten zu führendes gerichtliches Verfahren über die Löschung der Grundbucheintragung ist Geld- und Zeit intensiv, selbst dann Sie davon ausgehen, irgendwann vom Gericht Recht zu bekommen.  
Aber vor Gericht und auf hoher See…….

3. Sittenwidrigkeit

Eine weitere Möglichkeit ist die Kündigung aufgrund sittenwidriger Regelungen im Vertrag. Zu denken ist dabei insbesondere an eine Vergütungsregelung, welche – bezogen auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses – so erheblich vom marktüblichen Standart abweicht, dass die Grenze des § 138 BGB erreicht und überschritten wird.

In § 138 BGB heißt es:

(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.

Gerade auch im Bereich der Regelung der Vergütung sind die Grundstückseigentümer oft unerfahren und wissen nicht, was marktüblich ist. Weitere Optionen werden genannt.
Ob im Einzelfall der Vertrag auch in seinem Gesamtbild gegen die guten Sitten verstößt, ist pauschal nicht zu beantworten und bedarf einer genauen Betrachtung der einzelnen Regelungen und des Gesamtbildes.

4. Kündigung aus wichtigem Grund

Das Bürgerliche Gesetzbuch BGB sieht in § 314 vor, dass ein Dauerschuldverhältnis – welches ein Nutzungsvertrag über 30 Jahre Laufzeit zweifellos ist – kündbar sein kann.

In Abs. 1 heißt es dazu:  

1) Dauerschuldverhältnisse kann jeder Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

Es wird deutlich, dass hier eine Einzelfallabwägung stattfinden muss und diese Kündigungsmöglichkeit nur für wirklich besondere Fallgestaltungen Anwendung finden kann.

Auch dies bedarf im Vorfeld einer Abwägung unter Berücksichtigung der unten ergangenen Rechtsprechung.

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Holger Spiegelberg, Rechtsanwalt
Energierecht
Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Rostock

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