Zur Forderung von Nichtabnahmeentschädigung seitens der Bank kommt es beispielsweise in folgender Fallgestaltung:
Beispiel 1:
Das Ehepaar XY ist stolzer Eigentümer eines Einfamilienhauses am Stadtrand. Das Haus wurde mit einem Darlehen bei der örtlichen Sparkasse finanziert. Der Zins war, wie seinerzeit üblich, mit 4,5 % p.a. einigermaßen hoch. Er ist insgesamt für 10 Jahre festgeschrieben. Bis zum Ablauf dieser Festschreibungszeit sind es noch 3 Jahre.
Momentan sind die Zinsen auf einem günstigen Niveau. Von daher entschließen sich die Eheleute, bereits jetzt für den Zeitraum nach dem Auslaufen des Darlehensvertrages mit der Sparkasse, also in 3 Jahren, einen Anschluss-Darlehensvertrag abzuschließen. Einen solchen Darlehensvertrag, welcher erst in 3 Jahren zur Auszahlung kommt, nennt man Forwarddarlehen.
Nach kurzer intensiver Suche gelingt es, bei einer bundesweit tätigen Bank ein Darlehensvertrag zu 2% p.a. Zinsen abzuschließen. Dieser wird also, wenn alles glatt läuft, in 3 Jahren das aktuell noch laufende Darlehen bei der Sparkasse ablösen.
Kurze Zeit nach dem Abschluss dieses Anschlussvertrages jedoch trennen sich X und Y. Da keiner der beiden in dem Haus wohnen bleiben will, wird jenes verkauft und mit dem Verkaufserlös das Darlehen bei der Sparkasse vollständig getilgt.
Auch gegenüber der bundesweit tätigen Bank, bei welcher die Anschlussfinanzierung abgeschlossen wurde, teilt man diese Ereignisse mit.
Kurze Zeit später meldet sich die Bank zurück und offenbart den Ex – Eheleuten, dass die Bank aufgrund der nicht mehr möglichen Abnahme des Darlehens Schadenersatz in Form der sogenannten Nichtabnahmeentschädigung in Höhe von 70.000 € fordert.
Die Eheleute sind geschockt, mit so einem Betrag haben sie nicht gerechnet.
Die Nichtabnahmeentschädigung stellt nach Lesart der Bank also den Schaden dar, welcher der Bank dadurch entsteht, dass der Darlehensnehmer das vereinbarte Darlehen im Zeitpunkt der vertraglichen Vereinbarung nicht mehr abnimmt. Der Bank entgeht somit die Einnahme in Form der vertraglichen vereinbarten Zinsen.
Diese Vorgehensweise ist bei den Banken gang und gäbe.
Es fragt sich jedoch, ob dieses Vorgehen richtig ist.
1. grundsätzliche Berechnung
Die Berechnung der Nichtabnahmeentschädigung erfolgt, ohne dass dies derzeit in der Rechtsprechung wesentlich anders dargestellt oder hinterfragt wird, in Anlehnung an die Berechnung für die Vorfälligkeitsentschädigung.
Diese Vorfälligkeitsentschädigung wird im Grundsatz so berechnet, als dass alle zukünftig noch zu zahlenden Raten wieder angelegt und verzinst werden. Die Wiederanlage erfolgt in sichere Hypothekenpfandbriefe. Der Schaden der Bank besteht dann in der Differenz zwischen dem vertraglich vereinbarten Zins und dem Wiederanlagezins. Zum jetzigen Zeitpunkt (August 2016) sind Zinsen auf Hypothekenpfandbriefe enorm gering, etwa bei 0,05 %p.a..
Das bedeutet, dass der Schaden der Bank aktuell nahezu identisch ist mit dem vertraglich vereinbarten Zins.
2. Unterschied bei der Nichtabnahmeentschädigung
Der Nichtabnahmeentschädigung im Gegensatz zur Vorfälligkeitsentschädigung besteht darin, dass die Ratenzahlungspflicht aktuell gar nicht besteht, sondern in der Regel erst in der Zukunft (im obigen Beispiel in einigen Jahren)entsteht. D.h., die Berechnung des Schadens ist aus dem Grunde zuvor gar nicht korrekt möglich, da keiner weiß, welche Zinsen die Bank zukünftig für das Wiederanlegen der Raten erhält. Faktisch gesehen ist es der Bank aus heutiger Sicht nicht möglich, eine zutreffende Berechnung vorzunehmen.
3. Möglichkeit der Neuausreichung des Darlehensbetrages durch die Bank, § 254 BGB
Vorgenannte Berechnung, dass die Raten wieder angelegt werden in verzinste Hypothekenpfandbriefe, nennt man Aktiv-Passiv Methode. Daneben existiert noch eine weitere Methode, die Aktiv-Aktiv-Methode. Bei dieser Methode wird abstrakt oder konkret ein Ersatzgeschäft abgeschlossen/ berücksichtigt .
Beispiel 2:
Eheleute XY zahlen nach dem Verkauf ihres Hauses an das Ehepaar AB das Darlehen 3 Jahre vor Vertragsende an ihre Sparkasse zurück. Die Eheleute AB haben das Darlehen zu 3 % p.a. für den Kauf des Hauses bei der gleichen Sparkasse aufgenommen. Bildlich gesprochen heißt das, die Eheleute XY sind mit einem Geldkoffer zur Bank gegangen und haben ihr Darlehen vorzeitig zurückgezahlt. Die Bank hat den Geldkoffer genommen, und das Geld an die Eheleute AB auf Grundlage eines Darlehensvertrages mit einem Zinssatz ausgereicht, mit welchem diese den Kaufpreis für das Haus gezahlt haben.
In diesem Fall hat die Bank aus der vorzeitigen Rückzahlung des Darlehens durch die Eheleute XY einen geringeren Schaden, da sie das Geld nicht zu geringsten Zinsen (0,05 % ) in Hypothekenpfandbriefen anlegen müssen, sondern das Geld zu einem höheren Zinssatz an die Leute Eheleute AB ausreichen konnten. In diesem Falle ist der Schaden grds. nur die Differenz zwischen dem Darlehenszins der Eheleute XY und dem Darlehenszins der Eheleute AB.
Diese Methode nennt sich Aktiv-Aktiv Methode.
Für ein Darlehen, welches erst in der Zukunft ausgezahlt werden soll, gibt es so ein konkretes Ersatzgeschäft wie jenes mit den Eheleuten AB wohl nur äußerst selten.
Im Schadensrecht gibt es jedoch für den Geschädigten (Bank) die Verpflichtung, den Schaden des Schädigers (Bankkunde) so gering wie möglich zu halten. Diese Schadensminderungspflicht ist in § 254 BGB normiert.
Die Schadensminderungspflicht der Bank könnte darin bestehen, dass die Bank sich bemühen muss, innerhalb der Zeit bis zur vereinbarten und geplanten Auszahlung des Darlehens ein Alternativgeschäft zu finden. In diesem Alternativgeschäft wird das Darlehen, welches eigentlich für die Eheleute XY gedacht war, nun an andere Darlehensnehmer ausgereicht.
Dabei lässt sich unterstellen, dass dies einem bundesweit tätigen Kreditinstitut durchaus möglich sein dürfte. Sofern es monatlich 300 Darlehensverträge abschließt, besteht die Möglichkeit, dass an sich für die Eheleute XY vorgesehene Geld anderweitig auszureichen.
Auch hier besteht der Schaden der Bank dann nur noch in der Differenz zwischen dem Zins, welcher mit den Eheleuten XY vereinbart wurde (2 % p.a.) und dem Zins, welcher im Alternativgeschäft vereinbart wurde (bspw. 1,5 %p.a. ).
Vereinfacht gesagt, würde sich der Schaden der Bank dann nur auf ca. 0,5 % p.a. der Darlehenssumme bezlaufen.
Keine deutsche Bank rechnet jedoch in der Art ab. Vielmehr berufen sich die Banken regelmäßig auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom 1.7.1997, Aktenzeichen XI ZR 267/96. Danach war es der Bank freigestellt, ein Ersatzgeschäft zu berücksichtigen oder nach Wiederanlagezins in Hypothekenpfandbriefe zu berechnen.Wesentlich dabei ist, dass es in dem dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Rechtsstreit kein konkretes Ersatzgeschäft gab.
In obiger Fallgestaltung des Beispiels 2 gibt es jedoch ein konkretes Ersatzgeschäft, welches die Bank im Rahmen ihrer Schadensminderungspflicht nach unserer Auffassung anzurechnen hat.
Im Fall der Nichtabnahmeentschädigung wird man der Bank unterstellen dürfen, dass diese durch eigene Organisation in der Lage ist, dass nicht mehr benötigte Darlehen zukünftig an einen anderen Darlehensnehmer auszureichen und so den Schaden gering zu halten.
4. Korrekte Berechnung des Schadens der Bank erst in der Zukunft möglich
Nach richtiger Auffassung ist eine korrekte Berechnung des Schadens der Bank erst möglich, wenn der Darlehensvertrag beendet bzw. die Zinsbindungsfrist abgelaufen ist.
Hinsichtlich der Wiederanlage in Hypothekenpfandbriefen steht erst dann fest, zu welchen konkreten Zinsen Hypothekenpfandbriefe erworben werden konnten.
Auch für den Nichtabnahmeschaden kann erst zukünftig nach Ablauf der vereinbarten Zinsbindungsfrist festgestellt worden, welche durchschnittlichen Zinssätze für vergleichbare Darlehen vereinbart wurden (Aktiv Aktiv Berechnung) bzw. welche konkreten Zinsen für die Wiederanlage in Hypothekenpfandbriefe gezahlt wurden.
Dies bedeutet, dass grundsätzlich jede Berechnung zur Vorfälligkeitsentschädigung nochmals überprüft werden müsste. Insbesondere im Fall zukünftig steigender Zinsen bei Hypothekenpfandbriefen ist das aus Verbrauchersicht sinnvoll.
5. Rechtslage ungeklärt
Derzeit berufen sich die Banken, wie erkennbar, auf Urteile, welche mindestens 15 Jahre alt sind. Allerdings betreffen diese Urteile andere Sachverhalte. Zudem hat sich die Rechtsprechung, welche seinerzeit unwahrscheinlich bankenfreundlich war, doch in erheblichem Maße gewandelt. Der Verbraucherschutz hat einen weitaus größeren Stellenwert eingenommen, als das seinerzeit der Fall war.
Eine rechtlich fundierte Betrachtung kommt insbesondere an der Schnittstelle Schadensminderungspflicht dazu, dass den Banken auferlegt werden muss, Alternativgeschäfte einzugehen, insbesondere bei Nichtabnahmeentschädigungen, bei welchen die Abnahme des Darlehens erst in der Zukunft erfolgt.
In Fällen, in welchen die Bank sowohl den Käufer einer Immobilie als auch den Verkäufer finanziert, stellt sich die drängende Frage nach der Verpflichtung der Bank, nach der Aktiv- Aktiv Methode abzurechnen.
Wir vertreten die Auffassung, dass eine solche Verpflichtung der Bank besteht und haben diesbezüglich eine Reihe von gerichtlichen Verfahren eingeleitet, deren Entscheidung jedoch noch ausstehen.
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Holger Spiegelberg
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