Eine hohe Anzahl von Kunden mit Lebensversicherungen haben nun Anspruch auf eine höhere Rückzahlung bei Widerruf des Vertragsverhältnisses. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 29.07.2015 (Az. IV ZR 384/14) beinhaltet dieses Recht allerdings nur für Personen, die ihren Lebensversicherungsvertrag im damals gängigen Policenmodell zwischen 1994 und 2008 abgeschlossen haben und diesen nun widerrufen.
Immer wieder kommt es vor. Jemand kündigt aus meist persönlichen Gründen seine Lebensversicherung – möglicherweise, um schnell bereits eingezahltes Geld und die darauf liegenden Zinsen ausgezahlt zu bekommen. Was nach einer Kündigung meist bleibt, ist aber nur die Enttäuschung.
Wer seine Lebensversicherung vorzeitig kündigt, bekommt in der Regel nur einen Bruchteil des eingezahlten Kapitals. Es galt bisher, dass die Versicherungsgesellschaft die bisher entstandenen Verwaltungs- und Laufzeitkosten der Anlage mit den Einzahlungen verrechnen darf, sodass oft nur wenige tausend Euro übrig bleiben. Die neue Taktik der meisten Verbraucher ist es deshalb, den Versicherungsabschluss nachträglich auf Grund von Formfehlern zu widerrufen – im Prinzip also: Keine gültige Lebensversicherung bedeutet keinen gültigen Vertragsabschluss und somit geben sich alle Parteien einfach alles zurück, was sie bekommen haben und jeder ist zufrieden.
Doch so einfach ist es nicht.
Vor kurzem entschied der Europäische Gerichtshof bereits, dass – wenn ein Kunde nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt wurde – er zeitlich unbegrenzt vom Vertrag zurücktreten darf. Für die erfolgreiche Rückabwicklung des Rechtsgeschäfts muss also ein Fehler in der Belehrung zum Widerrufsrecht vorliegen. Beim zwischen 1994 und 2008 vertriebenen Policenmodell verhielt es sich so, dass die Kunden ihre Widerrufsbelehrung erst zeitgleich mit dem Versicherungsschein erhielten – also Tage nach Abschluss des Vertrages. Somit liegt ein massiver Formfehler vor, der einen Widerruf ermöglicht. Nun legte der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung nach und fällte dasselbe Urteil für die deutsche Gerichtbarkeit.
Weiterhin entschied die Kammer in ihrem Urteil, dass Verbraucher nach Einlegung des Widerspruchs auch die Abschluss- und Verwaltungskosten erstattet bekommen, sodass der Kunde nicht nur auf einem Bruchteil seiner Einzahlungen sitzen bleibt.
Der Entscheidung lag ein Fall zugrunde, bei dem ein Kunde erst im Jahr 2010 dem Vertragsabschluss von 1999 widersprach. Er berief sich dabei auf die Tatsache, dass er nicht richtig belehrt worden sei. Er zahlte 11.000,00 € in die Lebensversicherung ein, von denen die Gesellschaft (Aachen Münchener) knapp 3.000,00 € und mehr abzog.
Die Versicherung behauptete anschließend, sie fühle sich durch den Widerruf „entreichert“ und müsse die entstandenen Kosten mit der Einzahlungssumme verrechnen. Der Bundesgerichtshof allerdings sah das anders und entschied, dass die bereits von der an den Kunden ausgezahlten Summe abgezogenenen „Laufzeitkosten“ ebenfalls an den Kunden überwiesen werden müssen.
Die Prämien für den Lebensversicherungsschutz und der ähnlich gelagerten Berufsunfähigkeitsversicherung während der Laufzeit muss der Verbraucher aber auch weiterhin selbst tragen. Gleichermaßen gilt das auch für die anfallende Kapitalertragsteuern und Soli-Abzüge, wenn die Versicherung diese an das Finanzamt abgeführt hat, sobald die Summe an den Kunden ausgezahlt wurde.
Wer seine Lebensversicherung im Policenmodell nun widerrufen möchte, dem wird rechtlicher Beistand empfohlen. So kann geprüft werden, ob eine Rückabwicklung nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs möglich ist.
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Spiegelberg
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht
Rostock