Viele Eigentümer im ländlichen Bereich werden aktuell von Projektentwicklern für Photovoltaikanlagen kontaktiert. Dabei soll Nutzungsverträge abgeschlossen werden, durch die den Projektentwicklern gestattet wird, PV Anlagen auf den Flächen der Grundstückseigentümer zu errichten.
Dabei gibt es mittlerweile einer erhebliche Anzahl an Projektentwicklern für PV – Anlagen. Darunter sind noch einige, welche über nur sehr wenige Mitarbeiter und womöglich auch nur eine geringe Kapitaldecke verfügen. Deren Interesse ist dann eher, Nutzungsverträge abzuschließen und diese dann – mit teils erheblichen Magen – weiter zu veräußern. Denn die tatsächliche Projektumsetzung ist diesen Firmen aufgrund ihrer Unternehmensgröße selbst gar nicht möglich.
An uns wurde vor kurzem einen Nutzungsvertrag der Firma re.venture aus Berlin mit der Bitte um Prüfung herangetragen.
Nachfolgend gehen wir auf die wesentlichen Vertragsinhalte ein und zeigen auf, an welchen Stellen der Vertrag bereits marktübliche Regelung aufweist oder an welchen Positionen im Wege der Vertragsverhandlungen noch Nachbesserungen erfolgen sollten oder müssen. Die Auflistung in diesem Artikel betrifft dabei nur einige wesentliche Positionen und ist damit keinesfalls abschließend. In der Regel sind nach unserer Erfahrung in derartigen Nutzungsverträgen der unterschiedlichen Anbieter zwischen 30 und 50 Vertragspositionen nachzubessern.
1.
Wichtig ist zunächst die genaue Bezeichnung des Vertragsgegenstandes, also der zu verpachtenden Flurstücke und insbesondere auch, welche Nutzungen in welchem Umfang der Projektentwicklungsgesellschaft eingeräumt werden. Denn die in der Regel beigefügten Lagepläne geben nur den aktuellen Stand der Planung wieder und garantieren somit gerade nicht, in welchem Umfang die Grundstücke tatsächlich genutzt werden. Denn so ist denkbar, dass Sie einen Nutzungsvertrag unterschreiben, über große Teile dann aber nur Kabel verlaufen uund so auch nur geringere Einnahmen erzielt werden. Diese Flurstücke sind aber dennoch mit grundbuchrechtlichen Sicherungen belastet, ohne dass Sie den erwarteten Ertrag erzielen. Aus diesem Grunde ist empfehlenswert, die tatsächlich gestattete Nutzung möglichst umfassend und verpflichtend bereits im Vertrag festzulegen.
Im Vertrag der Firma re.venture werden die Nutzungszwecke des Vertrages gut dargestellt. Aber auch hier ist zu berücksichtigen, dass der vorläufige Lageplan kaum aussagekräftig ist, die konkrete spätere Nutzung daher nicht feststeht und somit auch die mögliche Vergütung noch erheblich von den angebotenen Nutzungsentgelten abweichen kann. Denn vergütet wird nicht der komplette Grundbesitz, sondern laut Vertrag nur die Nutzungsfläche, also die Fläche, auf welcher letztendlich PV Module stehen oder Nebenanlagen/Zuwegungen oder Leitungen errichtet / verlegt werden.
Die tatsächliche Nutzung muss demzufolge nicht das komplette Grundstück, welches an re.venture verpachtet wird, betreffen und kann sich somit erheblich auf die tatsächlich zu zahlende Vergütung auswirken.
2.
Die Vertragslaufzeit beträgt in derartigen Nutzungsverträgen regelmäßig zwischen 25 und 30 Jahren ab Unterzeichnung mit 1 bis 3 -facher Verlängerungsoption von jeweils 5 Jahren.
Diese Vertragslaufzeiten sind üblich und beinhalten den Umstand, dass bis zur tatsächlichen Inbetriebnahme der Anlagen oftmals viele Jahre vergehen können, ohne dass den Projektierer daran eine Verantwortung trifft. Denn Genehmigungsverfahren können nicht zuletzt aufgrund von Einwendungen der Bürger vor Ort oder von Umweltgruppierungen eine erhebliche Zeit in Anspruch nehmen.
Geregelt werden sollte auch die Frage, ob es dem Projektierer während der Vertragslaufzeit gestattet ist, die zunächst installierten Module durch leistungsfähigere/effektivere neue Module zu ersetzen (sog. Repowering). Denn mit der Leistungsfähigkeit der Module steigert sich regelmäßig auch der Ertrag der Anlage.
Der Nutzungsvertrag von re.venture ist für eine Laufzeit von 23 Jahren Vorgesehen mit der 2-maligen Option zur Verlängerung um jeweils 5 Jahre. Dies ist in Ordnung.
3.
Die Nutzungsentgelte sollten sich nach der Inanspruchnahme, der tatsächlichen Belastung des Grundstücks und nach den erzielten Erträgen der Anlage richten. Das Nutzungsentgelt sollte auf jeden Fall prozentual vom Ertrag der Anlage errechnet werden. Wir raten Grundstückseigentümern von Euro- Festbeträgen je Hektar aus alleiniger Vergütung ab. In Anbetracht der jetzt bereits vorhandenen und der zu erwartenden Inflation ! sind diese Nominalbeträge als für den Eigentümer ungünstig einzuschätzen. Diese können allenfalls als im Voraus zu zahlen Mindestentschädigung vereinbart werden. Dabei sind Zahlungen von 3.500 € -5.000 € je genutztem Hektar als derzeit marktüblich einzuschätzen.
Zudem sollten für Zuwegungen, Kabelverlegung und Transformatoren- Stationen gesondert Entschädigungen festgelegt werden.
Die Zahlungsfristen sind Vereinbarungssache. In einigen Verträgen wird ein Mindestbetrag zur Jahresmitte gezahlt und die Abrechnung der tatsächlichen Erlöse gemäß der prozentualen Regelung erfolgt dann Anfang des darauffolgenden Jahres.
Re.venture kommt mit zwei Vergütungsangeboten auf Eigentümer zu. Das erste Angebot bietet den Grundstückseigentümer 3.600 € je Hektar Vergütung an. Dies ist als durchaus marktüblich anzusehen, aber eben ein Nominalbetrag. Der im Vertrag vorgesehene Inflationsausgleich von jährlich 2 % pro Jahr ist nach unserer Einschätzung zu gering. Aus den Verbraucherpreisindizes des statistischen Bundesamtes ergeben sich aktuell (2-2024) Inflationraten von 5-6 %.
Das zweite Angebot ist eine prozentuale Beteiligung an den Erträgen der Anlage sowie ein Mindestbetrag. Eine solche Vergütungsregelung ist als marktüblich zu bezeichnen.
4.
Zu überprüfen sind auch die Regelungen, mit welchen dem Projektierer der Bau, der Betrieb/die Wartung und der Rückbau gestattet wird. Hier ist zu berücksichtigen, dass Ackerflächen in der Regel verpachtet sind und daher Inanspruchnahmen rechtzeitig angekündigt werden müssen bzw. mit der Errichtung verbundene Ernteeinbußen auszugleichen sind.
Sollten Grundstücke bewaldet sein, ist eine umfassende Regelung zu treffen, wie bspw. der Holzeinschlag, die Holzverwertung und die Bepflanzungen nach Rückbau erfolgen sollen und bspw. auch die Hiebunreifen ausgeglichen werden. Es muss Festlegungen geben, wer für die Unterhaltung von neu angelegten Zuwegungen, Umzäunungen und das Freihalten von Bewuchs verantwortlich ist. Regelungen, welche die Inanspruchnahme des Grundstücks auch als Ausgleichsfläche ermöglichen, lehnen wir regelmäßig ab.
Die Regelungen bei re.venture sind grundsätzlich in Ordnung, sollten aus unserer Sicht aber an einigen Punkten konkretisiert werden. Wir erachten es z.B. als sinnvoll, dass Ankündigungen, Nachweise etc. schriftlich zu erfolgen haben.
5.
Bei den für das Projekt und deren Finanzierung notwendigen Grundbucheintragungen ist besondere Vorsicht geboten. Denn die in den Verträgen enthaltenen Regelungen gehen oft sehr weit und ermöglichen dem Projektierer umfassende Möglichkeiten. Zum Teil werden Vollmachten verlangt, welche dem Projektierer freie Hand geben, selbst Eintragungen im Grundbuch vorzunehmen. Dies ist nach unserer Auffassung schon an der Grenze zur Sittenwidrigkeit. Bleiben Sie Herr über Ihr Grundeigentum und ihr Grundbuch und behalten Sie Ihr Mitspracherecht bei geforderten Eintragungen.
Auch der Umfang und die Laufzeit der Eintragungen sind unbedingt und rechtssicher zu regeln und insbesondere auch, unter welchen Voraussetzungen die Eintragungen im Grundbuch vom Projektierer wieder zu löschen sind.
Der Vertrag von re.venture ist zu diesen Positionen nur standardmäßig ausformuliert und sollte daher zur Wahrung der Rechte des Eigentümers nachgebessert werden.
6.
Weitere wichtige Positionen sind noch Haftung und Versicherung. Bei den Versicherungen ist sicherzustellen, dass die Versicherungssummen eine ausreichende Höhe haben, auch für die Zeit der Errichtung und den Rückbau der Anlage und nicht nur für die Betriebszeit gelten und einen marktüblichen Versicherungsumfang auch in Bezug auf Umweltschäden über die ganze Laufzeit des Nutzungsvertrages haben. Mittlerweile sehen die meisten Verträge vor, dass der Eigentümer einmal im Jahr das Recht hat, vom Projektierer über den Bestand und den Umfang der Versicherung Auskunft zu verlangen.
Seine eigene Haftung hat der Grundstückseigentümer bestenfalls vollständig auszuschließen. Für den Fall, dass ihm Ansprüche gegenüber Dritten zustehen, sind diese an den Projektierer abzutreten. Die Haftung des Nutzers sollte so umfassend wie möglich geregelt werden und auch die Haftung/Verantwortlichkeit für Dritte regeln, welche vom Nutzer beauftragt sind und Schäden verursachen.
Der Vertrag von Re.venture weist zu diesen Positionen bereits gute Formulierungen auf und berücksichtigt im Wesentlichen die vorstehenden Kriterien. Dennoch gibt es an einigen Inhalten Nachbesserungsbedarf.
7.
Aufgrund der Finanzierung der Projekte durch Banken enthalten die Verträge regelmäßig einen Passus, wonach der Grundstückseigentümer auf sein Vermieterpfandrecht an den PV-Anlagen und Nebenanlagen verzichtet. Dies ist üblich, jedoch ist es auch ausreichend, wenn dieser Verzicht nur für die Dauer der Finanzierung der PV-Anlage erklärt wird. Bei gut laufenden PV-Anlagen sind oftmals schon nach 3-4 Jahren die Darlehen vollständig getilgt.
8.
Zwingend erforderlich ist die detaillierte Regelung bezüglich des Rückbaus der Anlage, die Wiederherstellung des Ausgangszustandes des Grundstücks und der diesbezüglichen Absicherung. Wir empfehlen, dass die Rückbaubürgschaft bereits vor Baubeginn vorliegt. Es sind Fälle aufgetreten, wonach Anlagen zwar errichtet wurden, aber nie in Betrieb genommen und von der Genehmigungsbehörde der Abriss verfügt wurde. Die Projektgesellschaft war bereits vermögenslos, sodass als Verantwortlicher nur der Grundstückseigentümer blieb. Ist dieser Rückbau nicht durch eine ausreichende Bürgschaft (über die gesamte Vertragslaufzeit) abgesichert, bleibt der Eigentümer als Verantwortlicher mit unter Umständen enormen finanziellen Konsequenzen in der Pflicht.
Die Bürgschaft sollte ausschließlich von einer deutschen Bank gestellt werden. Die Zahlungsfähigkeit gegebenenfalls gestellter, anderer Bürgen ist insbesondere über die Laufzeit des Vertrages ungewiss. Zwar kann auch für Banken das Risiko einer Insolvenz und somit der Ausfall des Bürgen nicht zu 100 % ausgeschlossen werden. Stand heute ist jedoch eine größere Sicherheit im Rahmen der Verbürgung der Rückbaukosten als durch eine deutsche Bankbürgschaft nicht erkennbar.
An dieser Stelle muss die vertragliche Regelung mit re.venture unbedingt konkreter ausgestaltet werden. Das betrifft insbesondere auch die Überprüfung und Anpassung der Rückbaukosten während der Vertragslaufzeit.
9.
Die Verträge der Projektgesellschaften sehen regelmäßig das Recht vor, den Vertrag ganz oder teilweise auf Dritte Gesellschaften übertragen zu dürfen. Hier empfehlen wir, dies von Ihrer Zustimmung abhängig zu machen und sich zu diesem Zweck wirtschaftliche Kennzahlen des Dritten und somit Ihres neuen Vertragspartners vorlegen zu lassen. Denn dieser soll die gleiche oder eine bessere Sicherheit für die Einhaltung der vertraglichen Regelungen und der Zahlungsverpflichtungen bieten.
Der Vertrag von re.venture sieht vor, dass der Grundstückseigentümer bereits mit Unterschrift seine unwiderrufliche Zustimmung für solche Übertragungen erteilt. Dies sollte abgeändert werden, sodass eine schriftliche Zustimmung des Eigentümers für derartige Übertragungen erforderlich wird.
10.
Bei den Kündigungs- und Rücktrittsregelungen ist empfehlenswert, diese so detalliert wie möglich zu fassen. Ein Rücktritt sollte der Eigentümer sich in der Regel vorbehalten, wenn nicht innerhalb einer bestimmten Frist (zum Beispiel 5 Jahre) nach Vertragsunterzeichnung die Genehmigung vorliegt bzw. mit dem Bau begonnen wurde. Denn ansonsten ist es denkbar, dass für den Grundstückseigentümer eine überlange Bindung besteht, auch wenn der Projektierer keine Fortschritte in der Umsetzung des Projektes erzielt.
Für den Fall der Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Projektieres sollte ebenfalls ein Kündigungs- oder Rücktrittsrecht vereinbart sein.
Hier bietet der Vertrag der re.venture GmbH eine sehr umfangreiche Regelung an. Größtenteils sind die dort genannten Positionen gut und richtig. Hinsichtlich der im Vertrag genannten Zeitfenster ist zu prüfen, in welcher Phase sich das Projekt befindet und ob nicht auch kürzere Fristen vereinbart werden können. Einige rechtliche Begriffe wie dauerhafte Einstellung sind zu konkretisieren und durch Nachweise zu belegen.
Ergänzt werden sollte im Vertrag aufgrund aktueller Entwicklungen im Jahr 2023/24 noch eine Regelung, wonach eventuelle Erhöhung der Grundsteuer aufgrund der Umnutzung von i.d.R. landwirtschaftlicher Fläche in Erzeugung von Strom auf Nachweis (Grundsteuerbescheid) durch den Anlagenbetreiber getragen werden.
Fazit, Kosten
Es ist festzuhalten, dass der von re.venture GmbH vorgelegte Nutzungsvertrag einer Überarbeitung bedarf. Der Vertrag ist aktuell an einer Reihe von Positionen zwar schon marktüblich ausgestaltet. Allerdings sind nach unserer Auffassung dennoch eine Reihe von z.T. wesentlichen Korrekturen und Ergänzungen vorzunehmen, um so die vertraglichen Risiken, welche den Grundstückseigentümer treffen könnten, zu minimieren. Denn die Auswirkungen der vertraglichen Risiken zeigen sich in der Praxis erst dann, wenn die Anlage steht, nicht funktioniert bzw. wenn sie abgebaut werden muss oder wenn Zahlungen ausbleiben – also bei Problemen. Für diese Fälle muss vertraglich weitestgehend vorgesorgt werden, damit Sie als Eigentümer nicht rechtlos dem Treiben der PV Firma auf Ihrem Grund und Boden zusehen müssen.
Denken Sie stets daran, dass es bei dem abzuschließenden Vertrag um ein privatrechtliches Geschäft geht. Die Firma re.venture GmbH wird daher im Vordergrund die eigenen Rechte waren wollen, was natürlich legitim ist. Von daher ist die re.venture natürlich auch berechtigt, eine vertragliche Vorlage zu erstellen, welche die eigene Rechtsposition besser ausformuliert.
Daher gilt es für den Grundstückseigentümer umso mehr, die Verträge an den vorgenannten Positionen und regelmäßig auch an weiteren, kleineren aber ebenso wichtigen Positionen nachzuverhandeln. Dies sollte mithilfe fachkundiger (anwaltlicher) Unterstützung erfolgen, da auch die re.venture GmbH sich bei der Erstellung der Verträge selbstverständlich anwaltlicher Beratung bedient.
Die hier vorgenommene Darstellung ist keineswegs abschließend.
Zudem möchten wir darauf hinweisen, dass sich die obigen Erläuterungen auf den Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Beitrages beziehen und somit mögliche Veränderungen, welche danach seitens der Projektgesellschaft in den Verträgen vorgenommen werden, nicht berücksichtigt sind.
In der Regel werden die bei der Beauftragung anwaltlicher Hilfe für den Grundstückseigentümer entstehenden Anwaltskosten von der Projekt–Gesellschaft, welche die Errichtung und Nutzung der PV-Anlage beabsichtigt, im Wege von sog. Kostenübernahmeerklärungen übernommen, sodass die rechtliche Prüfung den Grundstückseigentümer im Ergebnis kein Geld kostet.
Dies ist aber in jedem Einzelfall vorher persönlich abzustimmen.
Geben Sie Ihren Vertrag daher einem Fachmann in die Hand!
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Dann rufen Sie uns an oder schicken Sie uns eine E-Mail, gegebenenfalls mit den entsprechenden Unterlagen. Die Anfrage zu Ihrer Rechtsangelegenheit ist kostenfrei.
Im Weiteren klären wir dann persönlich das weitere Vorgehen.
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Holger Spiegelberg, Rechtsanwalt
Energierecht
Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht,