Der Beginn der Widerrufsfrist bei einem Haustürgeschäft hängt nicht vom Zeitpunkt des Zustandekommens des Vertrages ab. Infolgedessen setzt er nicht die Annahme des Angebots des Verbrauchers durch den Unternehmer voraus.Sachverhalt
Im Jahre 2008 hatte ein für die Klägerin tätiger Handelsvertreter ein Verkaufsgespräch mit dem Beklagten in dessen Wohnung geführt. Daraufhin bestellte der Bekl. mehrere Fenster. Anzahl und Größe der Fenster waren handschriftlich in ein Formular eingetragen. In einem eingerahmten Kasten war auf der Vorderseite des Formulars die Widerrufsbelehrung aufgedruckt, wonach der Besteller die Bestellung innerhalb von zwei Wochen ohne Angaben von Gründen in Textform oder durch Rücksendung der Sache widerrufen konnte. Die Frist sollte mit Aushändigung eines Durchschlags des Bestellscheins mit der schriftlichen Widerrufsbelehrung beginnen. Der Beklagte unterschrieb auch diese Erklärung gesondert.
Auf der Rückseite des Formulars war in den AGB die Regelung enthalten, dass der Auftraggeber bei Kündigung nach § 649 BGB oder Rücktritt mit Einverständnis der Auftragnehmerin aus nicht von dieser zu vertretenden Gründen vor Fertigung eine Aufwandsentschädigung i.H.v. 30 % zahlen muss. Eine Durchschrift der Bestellung verblieb beim Beklagten. Mit Schreiben vom 9.4.2008 übersandte die Klägerin ihm eine der Bestellung entsprechende Auftragsbestätigung. Mit E-Mail vom 21.4.2008 erbat sich der Beklagte aufgrund von Verhandlungen mit seiner Bank noch einen Aufschub. Mit E-Mail vom 6.6.2008 stornierte er den Auftrag gegenüber der Klägerin. Diese forderte von ihm die Zahlung von rund 1.692 €.
Die Klage hatte Erfolg.
Entscheidung
Der Bundesgerichtshof hat dazu ausgeführt:
Das einem Verbraucher nach § 312 BGB eingeräumte Widerrufsrecht bei Haustürgeschäften ist gem. § 355 Abs. 1 S. 2 BGB innerhalb von zwei Wochen auszuüben. Diese Frist beginnt gem. § 355 Abs. 2 S. 1 BGB mit dem Zeitpunkt, zu dem dem Verbraucher eine dort näher beschriebene Belehrung über sein Widerrufsrecht in Textform mitgeteilt wurde. Der Widerruf bezieht sich auf die auf den Abschluss des Vertrages gerichtete Willenserklärung des Verbrauchers. Das legt nahe, dass dem Verbraucher zugleich oder jedenfalls im Zusammenhang mit der Abgabe dieser Erklärung eine Belehrung über die Widerrufsmöglichkeit zu erteilen ist.
Das setzt wiederum voraus, dass der Verbraucher eine Vertragserklärung bereits abgegeben hat oder zumindest zeitgleich mit der Belehrung abgibt. Dagegen ist eine Widerrufsbelehrung, die dem Verbraucher bereits vor der Abgabe der Vertragserklärung erteilt wurde, von vornherein mit dem mit zunehmenden zeitlichen Abstand immer größer werdenden Risiko behaftet, dass dieser sie zum Zeitpunkt der Abgabe seiner Vertragserklärung bereits wieder vergessen hat. Dementsprechend vermag die dem Verbraucher eingeräumte Bedenkfrist unter dieser Voraussetzung ihren Sinn nicht zu erfüllen.
Infolgedessen erfüllt eine zusammen mit der Abgabe der Vertragserklärung des Verbrauchers erteilte Belehrung ihren Zweck, die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers durch eine nachträgliche Überlegungsfrist wieder herzustellen. Es besteht keine Veranlassung, dies in den Fällen anders zu beurteilen, in denen es zum Vertragsschluss erst durch eine später nachfolgende Annahmeerklärung des Unternehmers kommt. Hat der Verbraucher eine für ihn bindende, auf den Abschluss eines Vertrages gerichtete Willenserklärung abgegeben und ist ihm bei der Abgabe eine Widerrufsbelehrung ausgehändigt worden, in der er ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist, hat er ab diesem Zeitpunkt ausreichend Gelegenheit, ohne den Druck der Haustürsituation seine Entscheidung zu überdenken.
BGH, Urteil vom 23.9.2010, VII ZR 6/10
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Spiegelberg
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht
Rostock