Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 8. Oktober 2003, Az. VIII ZR 165/01 die Frage entschieden, ob auch der Netzbetreiber zur Abnahme und Vergütung von eingespeistem Strom verpflichtet ist, welcher nur andere Energieversorgungsunternehmen, nicht jedoch Letztverbraucher direkt mit Strom beliefert.
Sachverhalt
Die Klägerin betreibt auf dem Gebiet der Gemeinde H. mehrere Wasserkraftwerke. Die Beklagte versorgt mit einem von ihr unterhaltenen
Stromnetz in den Ortschaften der Gemeinde H. die Privathaushalte sowie gewerbliche Betriebe mit Strom. Die Streithelferin der Klägerin ist
gleichfalls ein Elektrizitätsversorgungsunternehmen; sie unterhält ein Versorgungsnetz für Letztverbraucher in der der Gemeinde H. benachbarten
Gemeinde F. und Umgebung.
Der von der Klägerin erzeugte Strom wird in eine Übergabestation in der zur Gemeinde H. gehörenden Ortschaft B.
eingespeist. Kernstück der Übergabestation ist eine sogenannte Sammelschiene, die im Eigentum der Streithelferin steht und die Strom aufnimmt und abgibt. Der von den Kraftwerken
der Klägerin erzeugte Strom wird über ein 10-kV-Erdkabel der Übergabestation zugeführt und nach Transformierung auf eine Spannung von 20-kV in
die Sammelschiene eingespeist. Der eingespeiste Strom wird von einer Meßeinrichtung aufgezeichnet. Danach wird der Sammelschiene weiterer Strom
zugeführt, der von der Streithelferin selbst geliefert wird. Anschließend entnimmt die Beklagte der Sammelschiene über sechs Leitungen den Strom, den sie für die
Versorgung der Gemeinde H. benötigt. Danach erfolgt eine Messung des auf der Sammelschiene noch vorhandenen Stroms, der über eine 20-kVFreileitung
zum Versorgungsnetz der Streithelferin abgeführt wird.
Die Klägerin verlangt mit der Klage, festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, von dem 1. August 1998 an den von ihr erzeugten und in der Übergabestation
B. eingespeisten Strom zum jeweils gültigen Preis nach dem Stromeinspeisungsgesetz (StrEG) und von dem 1. April 2000 an
nach dem Gesetz über den Vorrang Erneuerbarer Energien (EEG) zu bezahlen.
Entscheidungsgründe:
Wer ist Netzbetreiber
Die Verpflichtung, den aus erneuerbaren Energien erzeugten Strom abzunehmen und zu vergüten, trifft nach § 3 Abs. 1 Satz 2 EEG denjenigen
Netzbetreiber, “zu dessen technisch für die Aufnahme geeignetem Netz die kürzeste Entfernung zum Standort der Anlage [zur Erzeugung des Stroms]besteht.”
Netzbetreiberin des zum Standort der Anlagen der Klägerin nächstgelegenen Netzes und deshalb nach § 3 Abs. 1 EEG zur Abnahme und Vergütung
des von der Klägerin erzeugten Stromes verpflichtet ist vielmehr die Streithelferin der Klägerin.
Die Streithelferin ist auch Netzbetreiberin.
Netze für die allgemeine Versorgung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 EEG nicht nur Netze, die unmittelbar der Versorgung von Letztverbrauchern
dienen. Vielmehr fallen darunter auch solche Netze, dazu bestimmt sind, andere Elektrizitätsversorgungsunternehmen
mit Strom zu beliefern, die ihrerseits Netze für die allgemeine Versorgung von Letztverbrauchern betreiben.
Das Merkmal der “allgemeinen Versorgung” im Sinne der zweiten Alternative dieser Bestimmung bezeichnet Netze,
die dem Bezug von Energie durch andere dienen, und schließt lediglich solche Netze aus, die ausschließlich zur eigenen Versorgung des Netzbetreibers (Eigenanlagen)
vorgesehen sind. Danach ist auch das von der Streihelferin in der Übergabestation betriebene Leitungssystem
ein Netz zur allgemeinen Versorgung,
Unter Netzen “für die allgemeine Versorgung” im Sinne von § 2 Abs. 1 EEG werdeen auch solche Netze verstanden, die Teil
eines (Gesamt-)Leitungssystems sind, an das wegen des Kontrahierungszwanges des § 10 Abs. 1 EnWG grundsätzlich jedermann angeschlossen werden
muß Hierunter fallen auch Übertragungsnetze, die der Belieferung anderer Elektrizitätsversorgungsunternehmen mit Strom dienen, die ihrerseits eine
“allgemeine Versorgung” von Letztverbrauchern im Sinne von § 10 Abs. 1 Satz 1 EnWG durchführen Auch danach stellt das von der Streithelferin der Klägerin im Bereich der Übergabestation betriebene Netz ein solches zur “allgemeinen Versorgung” im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 EEG dar. Denn die über dieses Netz belieferte Beklagte führt die allgemeine
Versorgung von Letztverbrauchern im Sinne von § 10 Abs. 1 Satz 1 EnWG in der Gemeinde H. durch.
kürzeste Entfernung
Das von der Streithelferin in der Übergabestation in B. betriebene Netz ist auch das Netz, das zu den Anlagen der Klägerin die kürzeste
Entfernung im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 2 EEG aufweist.
Für die Anwendung des Begriffs der “kürzesten Entfernung” im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 2 EEG kommt es nicht allein auf die räumlichen Gegebenheiten
an. Der Gesetzgeber hat die Anschluß- und Abnahmepflicht dem Betreiber des nächstgelegenen geeigneten Netzes im Hinblick auf die volkswirtschaftlich
geringeren Kosten auferlegt . Die kürzeste Entfernung als Kriterium für die Festlegung des Netzes, an das bei mehreren in Betracht kommenden geeigneten Netzen
anzuschließen ist, hat seinen Grund darin, daß der Gesamtaufwand für die Einspeisung des aus erneuerbaren Energien erzeugten Stroms minimiert werden
soll . Für die nähere Bestimmung, welches Netz und welcher Verknüpfungspunkt bei mehreren in Betracht kommenden Möglichkeiten zu den Anlagen des Energieerzeugers die “kürzeste Entfernung” aufweist, kommt es deshalb auch darauf an, bei welchem der möglichen Anschlüsse die geringsten Gesamtkosten für die Herstellung des Anschlusses und für die
Durchführung der Stromeinspeisung (etwa Netzverstärkung, Stromtransportverluste) zu erwarten sind.
Danach besteht hier zu dem von der Streithelferin in der Übergabestation B. betriebenen Netz eine “kürzere Entfernung” als zu dem Versorgungsnetz
der Beklagten in der Ortschaft Bu. . Denn die Anschlußverbindung zum Netz der Streithelferin in der Übergabestation besteht bereits und
wird von der Klägerin zur Einspeisung ihres Stromes genutzt. Bei einer Abnahme des Stroms durch die Streithelferin entstehen deshalb weder Anschluß- noch
Netzausbaukosten, während für einen Anschluß in Bu. zumindest Anschlußkosten aufzuwenden wären.
Haben Sie Fragen?
Dann rufen Sie uns an oder senden eine E-Mail, gegebenenfalls mit entsprechenden Unterlagen.
Die Anfrage zu Ihrer Rechtsangelegenheit ist kostenfrei. Im Weiteren klären wir dann persönlich das weitere Vorgehen.
Telefon: 0381 / 440 777 – 0
E-Mail: info@ra-spiegelberg.de
Spiegelberg
Rechtsanwalt