Jetzt ist es amtlich. Der Bundesgerichtshof BGH hat mit Urteil vom 14. September 2018, Az. V ZR 12/17 die von der BVVG (Bodenverwertungs- und Verwaltung GmbH) – der Rechtsnachfolgerin der Treuhand Liegenschaftsgesellschaft – über viele Jahre in Ihren Kaufverträgen genutzte Klausel zur Entschädigung bei späterer Windkraftnutzung als unwirksam eingestuft.
1.
Dem klagenden Landwirt war bereits in den Vorinstanzen (Landgericht Berlin, Kammergericht Berlin) recht gegeben worden. Auf seiner von der BVVG erworbenen Ackerfläche sollte einige Jahre nach dem Kauf eine Windkraftnutzung stattfinden, welche 1,4 % der erworbenen Fläche betraf.
Die BVVG verlangte die volle Entschädigung auf Grundlage der im Kaufvertrag enthaltenen Klausel, welche die BVVG in einer erheblichen Anzahl von Kaufverträgen verwendet hat.
Dabei geht es um folgende Klausel:
“Sollen während des in Abs. 2 genannten Zeitraumes kaufgegenständliche Flächen ganz oder teilweise als Standort- und/oder Abstandsflächen für die Errichtung von Anlagen für erneuerbare Energien i.S.d. § 11 Abs. 2 Baunutzungsverordnung, insbesondere für Windenergieanlagen, oder für die Errichtung von Funk-, Sende- oder vergleichbaren Anlagen genutzt oder zur Verfügung gestellt werden, steht dem Käufer nach Maßgabe der nachfolgenden Bedingungen ein Anspruch auf
Zustimmung hierzu gegen die Verkäuferin zu: Um sicherzustellen, dass den der Verkäuferin in diesem Vertrag vorbehaltenen Rücktrittsrechten hinreichend Rechnung getragen wird, hat der Käufer die Verkäuferin vor Abschluss eines entsprechenden Vertrages in die Verhandlungen mit dem Betreiber der Anlage einzubeziehen, um insbesondere die Fragen der Zahlungsmodalitäten sowie der durch den Anlagenbetreiber zu stellenden Sicherheiten für den Rückbau der geplanten Anlage zu regeln. Der Käufer verpflichtet sich, an die Verkäuferin einen Betrag i.H.v. 75 % des auf die Gesamtnutzungsdauer der Anlage kapitalisierten Entschädigungsbetrages (ohne Bewirtschafter-/Pächterentschädigungsanteil) zu zahlen, der auf die kaufgegenständlichen Flächen entfällt mindestens aber 75 % des marktüblichen Entschädigungsbetrages, also des Betrages, der üblicherweise für das Recht zur Errichtung einer vergleichbaren Anlage an die vergleichbaren Standorten entrichtet wird. Gleiches gilt, sofern während des in Abs. 2 genannten Zeitraumes weitere oder leistungsstärkere Anlagen errichtet werden, insbesondere auch an oder auf Baulichkeiten, oder die ursprünglich vorgesehene Nutzungsdauer verlängert wird und daraus eine Erhöhung des ursprünglich ermittelten Entschädigungsbetrages resultiert. Die Parteien sind sich darüber einig, dass nach der üblichen Entschädigungspraxis dem Bewirtschafter/Pächter der Flächen ein Anteil am Gesamtentschädigungsbetrag zugestanden wird. Dieser Bewirtschafter-/ Pächteranteil ist von dem ermittelten Gesamtentschädigungsbetrag abzuziehen. Der danach verbleibende Entschädigungsbetrag ist in dem o.g. Verhältnis zwischen der Verkäuferin und dem Käufer aufzuteilen. Soweit Flächen für Windenergieanlagen genutzt werden, beträgt der in Abzug zu bringende Bewirtschafter-/Pächteranteil 15 % des Gesamtentschädigungsbetrages. Der Käufer verpflichtet sich des Weiteren der Verkäuferin unverzüglich die Unterlagen zur Verfügung zu stellen, die für die Feststellung des ihr zustehenden Betrages erforderlich und zweckdienlich sind. Legt der Käufer die Unterlagen nicht vor oder einigen sich die Parteien nicht auf den der Verkäuferin zustehenden Betrag, so ist dieser durch einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen zu bestimmen. Der Sachverständige, der als Schiedsgutachter tätig wird, wird auf Antrag der Verkäuferin durch den Präsidenten der Industrie- und Handelskammer des Belegenheitsortes des Kaufegenstandes bestimmt. Die Kosten eines solchen Gutachtens tragen die Parteien je zur Hälfte. Der an die Verkäuferin zu entrichtende Betrag wird einen Monat nach Abschluss des entsprechenden (Nutzungs-/Überlassungs-/Einbringungs-) Vertrages fällig, spätestens jedoch zum Ende des Monats, in dem mit der Errichtung der Anlage begonnen wird.“
Der Bundesgerichtshof hält diese Klausel aus dem Grunde für unwirksam, da die BVVG mit dieser Regelung nur Flächen wieder zurückkaufen kann, die zu Bauland geworden sind oder für Verkehrswege benötigt werden. Windräder jedoch seien dafür kein Grund. Eine Aufwertung erfahre das Land grundsätzlich nicht, da nach dem Willen des Gesetzgebers Windräder grundsätzlich überall aufgestellt werden können. Der BVVG stehe somit kein Wiederkaufsrecht zu.
Auch ein Rücktrittsrecht scheide aus, da die Windkraftnutzung nur einen unwesentlichen teil der verkauften Fläche betreffe.
Die Regelung knebele den Käufer daher unangemessen.
Folglich steht der BVVG auch keine Beteiligung an den Einnahmen aus der Nutzung des Grundstücks durch die Windkraftanlage zu.
2.
Für Käufer von Flächen des BVVG, deren Grundstück nach dem Kauf von Windkraftnutzung betroffen ist und welche womöglich deswegen an die BVVG bereits Zahlungen aufgrund der vereinbarten Klausel geleistet haben, bedeutet dies, dass Ihnen evtl. Ansprüche auf Rückforderung dieser Zahlungen gegenüber der BVVG zustehen.
Voraussetzung dafür dürfte unter Berücksichtigung der Ausführungen des Bundesgerichtshofes BGH sein, dass nur ein unwesentlicher Teil des Grundstücks für Windkraft genutzt wird.
3.
Zudem stellt sich die Frage, ob die Rückforderung bereits vor langer Zeit geleisteter Zahlungen an die BVVG aufgrund der Verjährung der Ansprüche ausgeschlossen ist.
Dabei ist aus unserer Einschätzung heraus auch die Regelung des § 819 BGB zu berücksichtigen, wonach eine verschärfte Haftung bei Kenntnis und bei Gesetzes- oder Sittenverstoß vorliegt. Da der BGH zu der Auffassung gelangt ist, dass mit der vereinbarten Regelung eine Knebelung der Eigentümer vorliegt, könnte ein Verstoß gegen die guten Sitten vorliegen.
Es ist somit unumgänglich, dass der jeweilige Einzelfall fachmännisch zu prüfen ist.
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Holger Spiegelberg
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Bank– und Kapitalmarktrecht
Rostock