Grundlagen für Sanierungsgutachten nach dem IDW S6: Berücksichtigung der Rechtsprechung vom BGH sollen rechtliche und wirtschaftliche Belastbarkeit steigern

0

Wer eine Firma führt, die dem Konkurs nahesteht, ist nicht zwingend nur mit einer Insolvenz und dem Ende einer Firma zu helfen. In der Weltwirtschaft steht die Sanierung stattdessen hoch im Kurs. Dabei ist die Sanierung ein Begriff, der alle Maßnahmen enthält, die zur Wiederherstellung von Gewinnen genutzt werden.
Ein gutes Beispiel dafür ist die Luxus-Modekette Escada, die 2009 noch Verluste von etwa 70 Millionen Euro anhäufte und noch im November desselben Jahres Insolvenz durchführen musste. Im Zuge der Insolvenz wurde das Unternehmen  von der Großinvestorin Megha Mittal gekauft und ab 2010 grundlegend saniert. Unter einem neuen Konzept, einem verbesserten Marketing und auch mithilfe von Sanierungsgutachten wurde das Modeunternehmen wieder solvent und verzeichnet seither stetiges Wachstum und Gewinne.

Jede Firmensanierung braucht ein Konzept
Eine Sanierung ist aber keine einfache Sache. Grundsätzlich müssen alle zukünftigen Entscheidungen zur Rettung eines Unternehmens genauestens durchgeplant werden. Man benötigt also ein Sanierungskonzept. Ein solches Sanierungskonzept soll Ihren möglichen Finanzierungspartnern genau erklären, ob Ihre Firma längerfristig am Markt bestehen kann. Auch die Frage, wie es das schaffen soll, muss allumfassend geklärt werden. So errichten Sie die Grundlage für den Erhalt von Krediten, die Ihre Firma retten können. Für die möglichen Partner Ihrer Neufinanzierung ist die Darlegung Ihrer Wettbewerbsfähigkeit in der Zukunft eine absolute Notwendigkeit. Da Sie sich an diesem Punkt bereits in einer recht angespannten Finanzsituation befinden dürften, wird eine Weiterfinanzierung nur möglich sein, wenn ein Sanierungsgutachten durch unabhängige Berater angefertigt wird.

Das Sanierungsgutachten
Ein Sanierungsgutachten – auch Sanierungskonzept genannt – enthält grundsätzlich Fakten über den allgemeinen Aufbau des Unternehmens. Unternehmensdaten, Ursachen für Probleme innerhalb des Unternehmens, Wirkungsweisen äußerer Faktoren sowie Einflüsse durch Rechtsprechung und Ereignisse in der umgebenden Wirtschaft. (z. Bsp. absatzsenkende Wirtschaftskrisen oder die Firma betreffende Steuererhöhungen, die regelmäßige Ausgaben enorm erhöhen können)
Nachdem die grundlegende Situation des Unternehmens dann abgehandelt wurde, wird auf dieser Grundlage erklärt, welche Maßnahmen ergriffen werden können, um die Lage zu verbessern. Diese Planung umfasst nicht nur pragmatische Ideen oder Slogans, die Investoren als Werbungsersatz locken sollen. Stattdessen stehen Prognosen und geplante Entwicklungen im Vordergrund, die auf den Unternehmenszahlen basieren. Dabei wird sich hauptsächlich auf die zukünftigen Ergebnisse und Finanzen des zu sanierenden Unternehmens bezogen. So wird daraufhin auch eine umfassende Vermögensplanung möglich.
Ein solches Konzept muss natürlich plausibel sein. Um dem Aufwand letztendlich einen Sinn zu geben, sollten Sie sich fachmännische Beratung hinzuziehen, um Ihre Argumente und Ideen – selbst bei besten Absichten – nicht zu weit herzuholen. Manche Ideen gehen einfach nicht auf und manche Unternehmen lassen sich selbst mit einem guten Konzept und trotz aller Bemühungen nicht sanieren. Die Maßnahmen müssen außerdem durchführbar, d.h. realisierbar, sein. Grundlegend sind dabei bestimmte Interessengruppen zu beachten – nämlich die Arbeitnehmer Ihres Unternehmens, die Gesellschafter und die Investoren.
Rahmenbedingungen nach IDW S6 festgelegt
Das Institut der Wirtschaftsprüfer e.V. (IDW) hat mit dem IDW-Standard S6 neue Rahmenbedingungen für die Erstellung von Sanierungsgutachten festgelegt. Somit sollen einheitliche Mindeststandards bestehen, die ein solches Gutachten wirtschaftlich und rechtlich belastbar machen. Verabschiedet wurden diese Normen am 20.08.2012 vom Fachausschuss Sanierung und Insolvenz (FAS). Bis dahin galten bereits mehrere Grundlagen zur Erstellung dieser Gutachten, mit am längsten lief der ebenfalls vom IDW ausgearbeitete FAR 1/1991.

FAR 1/1991
Dessen Anforderungen waren dabei schematisch und allgemeingültig und gingen kaum auf die Individualität von Unternehmen ein. Jedes Unternehmen ist verschieden und bedient verschiedene Branchen, daher muss auch jedes Gutachten individuell und für das Unternehmen zutreffend sein. Damals waren lediglich
• Checklisten über Bestandsaufnahmen
• Einnahmeüberschüsse
• Checklisten über typische Sanierungsmaßnahmen
und
• simple Planrechnungen
notwendig – oftmals mit der Folge, dass sich kein williger Investor  fand.

IDW S6 F 2009
Ab 2009 galt dann der IDW S6, der die Vorgaben verschärfte. Das Gutachten musste zudem in zwei Stufen hergestellt werden.
So sollten erstmals
• Analysen über die Fortführungs-, Wettbewerbs- und Renditefähigkeit
eines Unternehmens erstellt werden. Zudem mussten diese Analysen auch wirklich tiefschürfend belegt werden. Die immer gleichen Checklisten nach Schema F reichten nämlich nicht dazu aus, die jeweils verschiedenen Probleme und Faktoren beim Konkurs einer Firma abzuhandeln. Zudem mussten für jeden Bereich in dem Gutachten ausführliche Berechnungen eingebaut werden.

In einem zweiten Schritt musste das Konzept dann außerdem kritisch von Steuerberatern und Anwälten geprüft werden sollten, um ihre Belastbarkeit einzustufen.
Doch auch ab diesem Punkt war die Erfolgsrate noch zu niedrig. Daher einigte man sich auf eine neue Fassung, die seit 2012 gilt.

IDW S6 F 2012
Seit 2012 müssen Sanierungskonzepte festgelegte Bestandteile enthalten und komplett vollständig sein. Grundsätzlich gilt seitdem, dass folgende Themen einzeln bearbeitet und beinhaltet werden müssen:
• Grundlegende Analyse der Firmensituation
– Firmendaten
– Bilanzen / Schulden / Überschüsse
• Bericht über das Krisenstadium
– d.h. Feststellungen über den Fortschritt der nahenden Pleite
• tiefschürfende Untersuchung der Ursachen für die Krise
• Bewertung der Fortführungsmöglichkeiten
– Fragen wie: „Wann tritt die absolute Zahlungsunfähigkeit ein?“
„Ist die Firma überschuldet?“
• Angaben zum „sanierten Unternehmen“
– Aussagen über das neue Firmenbild
– Planung von Umstruktierungen und neuer Organisation
• Auflistung von Maßnahmen gegen die Krise
• in allen Bereichen: eingebundene Berechnungen und eine umfassende Sanierungsplanung
– Angabe von Maßnahmen und ihren Effekten

Was möchten Banken und Investoren daraus schließen?
Das Sanierungsgutachten dient letztendlich als Überzeugungsmittel für diejenigen, die Ihnen Geld zur Sanierung Ihres Unternehmens geben wollen. Es betrifft also Banken, Investoren und andere Institutionen, die in der Lage sind, größere Summen von Geldern in Sie zu investieren. Daher sind diese Kerninhalte sorgfältig überlegt worden. Die möglichen Geldgeber wollen maßgebliche Informationen über Ihre „Sanierungsfähigkeit“ erhalten, d.h. sie wollen wissen, ob es sich überhaupt noch lohnt, Sie zu retten.

Grundsätzlich müssen dafür drei Kriterien erfüllt sein, um die Bezeichnung „sanierungsfähig“ zu erhalten.

1. Wettbewerbsfähigkeit

Aus Ihrem Gutachten muss hervorgehen, dass Sie wettbewerbsfähig sind. Das heißt, das Gutachten muss darlegen, dass Sie Ihre bisherigen Marktanteile mindestens erhalten können – besser noch wäre es, Sie könnten auch neue erschließen. Eine solche Wettbewerbsfähigkeit zeichnet sich auch dadurch aus, dass Sie bereits eine über lange Zeit geltende Marktposition haben. Haben Sie Ihr Unternehmen erst vor 2 Jahren gegründet, ohne hohe Gewinne zu erzielen oder über eine große Stammkundschaft zu verfügen, sind Ihre Sanierungspläne bereits jetzt zum Scheitern verurteilt.

2. Fortführungsfähigkeit

Die Fortführungsfähigkeit bedeutet, dass Ihrem Unternehmen weder im laufenden noch im kommenden Jahr eine akute Zahlungsunfähigkeit oder die Überschuldung drohen. Das geht aus Änderungen in der Insolvenzordnung (InsO) hervor, die die Überschuldung von einer zeitlichen Befristung entbunden haben. Demnach wird die Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit vorausgesetzt, um eine erfolgreiche Sanierung zu garantieren. Es ist allerdings nicht die wichtigste Entscheidungsgrundlage von Banken, immerhin wollen Sie sich ja sanieren, weil die Verluste wachsen und Sie in finanzielle Schieflage geraten sind.

3. Renditefähigkeit
Die Fähigkeit zur Rendite muss mittel- und längerfristig dazu führen, dass Sie Ihre branchenübliche Rendite erreichen. Das Ziel, das damit erreicht werden soll, ist die Steigerung Ihrer Beliebtheit bei Geldgebern wie Banken und Investoren. Und diese Beliebtheit wird dadurch erreicht, dass Sie jederzeit in der Lage sind, Zins- und Tilgungsleistungen zu zahlen.
Rahmenbedingungen vom Bundesgerichtshof geprägt
Zudem hat der IDW festgelegt, dass die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes einen großen Einfluss auf die Sanierungsgutachten nehmen soll. Das heißt, es soll umgekehrt sein. Die Gutachten müssen einen Bezug auf die Entscheidungen nehmen, denn bei Nichtbeachtung kam es in der Vergangenheit oftmals zu Streitfällen. Diese Kernanforderung wurde besonders von den Banken und Instituten verlangt, die Kredite an die sanierungsbedürftigen Firmen vergeben sollen. Leider gibt der Bundesgerichtshof keine einheitliche Rechtsprechung für ein Sanierungskonzept vor. In der Regel entschied dieser nur über Einzelfälle, bei denen sich die Parteien nicht mehr außergerichtlich einigen konnten.
Das IDW hat seine Kernanforderungen an ein Sanierungskonzept daher zur Vereinfachung für Betroffene an bestehende BGH-Urteile angelehnt.

 

Lesen Sie dazu auch unseren Beitrag:  Der Einfluss des Bundesgerichtshofes auf Inhalt und umfang von Sanierunsggutachten nach IDW S6

 

Haben Sie Fragen?


  • Dann nutzen Sie unser Anfrageformular für eine erste, kostenlose Anfrage zu Ihrer Rechtsangelegenheit.

  • Die Anfrage zu Ihrer Rechtsangelegenheit ist kostenfrei. Im Weiteren klären wir dann persönlich das weitere Vorgehen. Möglicherweise übernimmt eine vorhandene Rechtsschutzversicherung die Kosten des anwaltlichen Tätigwerdens.

Um unsere Webseite für Sie optimal zu gestalten und fortlaufend verbessern zu können, verwenden wir Cookies. Durch die weitere Nutzung der Webseite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu.
Zustimmen