Das AG Dresden (Beschluss vom 01.01.2014 – 559 IN 2258/13) hat über das Vermögen der Prosavus AG, eine Tochtergesellschaft der ebenfalls insolventen Future Business KGaA, das Insolvenzverfahren eröffnet und Rechtsanwalt Frank-Rüdiger Scheffler zum Insolvenzverwalter bestellt.
Bisher waren die Anleger froh, dass sie zumindest vor der Insolvenz von den Ausschüttungen profitieren konnten. Diese Freude war leider nur von kurzer Dauer. Nunmehr fordert der Insolvenzverwalter mit aktuellem Schreiben, so vom 05.09.2017, von allen Anlegern die Ausschüttungen vor der Insolvenz bis zum 25.09.2017 zurück. Somit droht den Anlegern nicht nur der Verlust ihrer Anteile.
Der Insolvenzverwalter stützt seinen Anfechtungsanspruch auf §§ 129 Abs. 1, 134 InsO. Er qualifiziert die Ausschüttungen an die Anleger vor der Insolvenz als Scheingewinne und fordert sie zuzüglich Zinsen zurück.
- Allgemeines zur Insolvenzanfechtung
Die Insolvenzanfechtung findet auf Vermögensverschiebungen vor der Insolvenzeröffnung Anwendung. Diese Vermögensverschiebungen können nach § 81 InsO unwirksam sein.
a) Sinn und Zweck der Insolvenzanfechtung
Das Ziel einer Insolvenzanfechtung ist die gleichmäßige Gläubigerbefriedigung. Daher werden Vermögensverschiebungen, die vor der Insolvenzeröffnung vorgenommen wurden, durch den Insolvenzverwalter rückgängig gemacht. Dies erscheint sachgerecht, da oft das Vermögen des Schuldners vor der Insolvenz zu Lasten anderer Gläubiger verkleinert wird. Und wenn sich die Insolvenzmasse verkleinert, bedeutet das oft, dass die übrigen Gläubiger leer ausgehen. Um dies zu verhindern, hat der Gesetzgeber die Insolvenzanfechtung vorgesehen.
b) Anfechtungsberechtigung
Grundsätzlich ist nur der Insolvenzverwalter anfechtungsberechtigt, § 129 InsO.
c) Anfechtungsfrist
Die Anfechtungsfrist beginnt mit dem Tag zu laufen, an dem der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens beim Insolvenzgericht eingegangen ist, § 139 InsO.
Die Verjährungsfrist beträgt 3 Jahre. Die Frist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Insolvenzverwalter von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste.
d) Anfechtungsklage
Sofern der Anleger eine Zahlung an den Insolvenzverwalter ablehnt, muss der Insolvenzverwalter den Anspruch mit einer Anfechtungsklage durchsetzen.
e) keine voreilige Zahlung – Verteidigung oder Vergleich möglich
Es gibt verschiedene Ansatzpunkte, um eine Insolvenzanfechtung abzuwehren bei:
- unzulässiger Anfechtung: Verteidigung (außergerichtlich und gerichtlich)
- zulässiger Anfechtung: außergerichtlicher Vergleich mit dem Insolvenzverwalter
- Anfechtung wegen unentgeltlicher Leistung, § 134 InsO
Die Insolvenzanfechtung nach § 134 InsO regelt den Grundsatz, dass unentgeltliche Leistungen schwächeren Schutz als entgeltliche genießen.
a) Zeitraum der Insolvenzanfechtung
Demnach ist jede unentgeltliche Leistung des Schuldners anfechtbar, die 4 Jahre vor dem Insolvenzantrag vorgenommen wurde.
b) unentgeltlich
Der Begriff der unentgeltlichen Leistung ist weit zu fassen und geht weiter als eine Schenkung. Eine Unentgeltlichkeit liegt vor, wenn der Leistung keine gleichwertige Leistung gegenübersteht.
c) Beweislast
Der Insolvenzverwalter ist für die unentgeltliche Leistung beweispflichtig.
d) Scheingewinne durch Schneeballsystem
Bei einem Schneeballsystem wird ein Produkt vertrieben, bei dem Scheingewinne durch neu geworbene Anleger finanziert werden. Der Schein wird dadurch aufrechterhalten, dass ein Teil der Gelder von neuen Anlegern zur Auszahlung der Gewinne an alte Anleger eingesetzt wird. Das System kann auf Dauer nicht funktionieren und eine Insolvenz ist oftmals unausweichlich.
Für das Vorliegen eines Schnellballsystems ist der Insolvenzverwalter beweispflichtig. Dabei reichen nach Ansicht von vielen Gerichten Anklageschriften der Staatsanwaltschaft oder Gutachten einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft nicht aus.
Den Anlegern von Schneeballsystemen droht viele Jahre nach dem Zusammenbruch eines solchen Systems und der damit einhergehenden Insolvenz die Verpflichtung zur Erstattung von Ausschüttungen an den Insolvenzverwalter. Dies gilt selbst dann, wenn der Anleger in gutem Glauben war. Aber auch hier muss jeder Einzelfall betrachtet werden.
Zwar hat der BGH (vgl. z. B. Urteil vom 11.12.2008 – IX ZR 195/07; BGH, Urteil vom 22.04.2010 – IX ZR 163/09) bei der Auszahlung von Scheingewinnen und Schneeballsystemen schon oft gegen die Anleger entschieden und eine Insolvenzanfechtung nach § 134 InsO bejaht. Es besteht im Einzelfall jedoch die Möglichkeit, den Anspruch ganz oder zumindest teilweise abzuwehren.
e) keine Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen
Nach der Rechtsprechung des BGH ist eine Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen des Anlegers nicht möglich.
- Müssen Anleger die Ausschüttungen zurückzahlen?
a) Rückforderungsbetrag höher als Ausschüttungsbetrag
Keineswegs sollten sich die Anleger durch das Schreiben des Insolvenzverwalters verunsichern lassen. Vielmehr ist in jedem Einzelfall sorgfältig zu prüfen, mit welcher Wahrscheinlichkeit im Streitfall der Insolvenzverwalter seinen Anspruch durchsetzen kann.
a) Anfechtungsbetrag höher als Ausschüttung
Der Anfechtungsbetrag enthält neben der Ausschüttung auch die von der Prosavus AG abgeführten Steuern. Daher ist der geforderte Betrag höher als die erhaltene Ausschüttung. Der Insolvenzverwalter teilt zudem mit, dass der Anleger die gezahlten Steuern vom Finanzamt erstattet bekommt.
b) Scheingewinne durch fehlerhafte Jahresabschlüsse 2010 – 2013?
Der Insolvenzverwalter hat die Jahresabschlüsse der Jahre 2010 bis 2013 korrigiert. Diese können auf der Homepage des Insolvenzverwalters abgerufen werden.
Nach der Rechtsprechung des BGH ist es unerheblich, ob der Anleger irrtümlich glaubte, dass die Auszahlungen berechtigt bzw. aus Gewinnen erfolgte.
c) Finanzamt Dresden lehnt Zahlung an Insolvenzverwalter ab
Das Finanzamt Dresden hat die Forderung des Insolvenzverwalters der Future Business KGaA in Höhe von 17 Mio. € zuzüglich Zinsen, mithin ca. 20 Mio. €, abgelehnt. Es hält die ursprünglichen Rechnungen für richtig und weigert sich daher, Steuern auf Scheingewinne zurückzuzahlen. Nach deren Auffassung sei das Geschäftsmodell von Infinus „tragfähig“ gewesen und damit offenbar ein Schneeballsystem ausgeschlossen.
Es bleibt abzuwarten, ob ein Gericht die Meinung des Finanzamts bestätigt.
d) Zinsen
Des Weiteren fordert der Insolvenzverwalter zusätzlich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Insolvenzeröffnung (01.04.2014 bis 04.04.2017). Allerdings werden die Zinsen nicht konkret berechnet.
Am 05.04.2017 ist die Reform der Insolvenzanfechtung in Kraft getreten. Künftig dürfen Zinsen nicht mehr automatisch ab Insolvenzeröffnung, sondern nur ab Schuldnerverzug oder bei einer Klage ab Rechtshängigkeit geltend gemacht werden.
Das bedeutet, dass in allen ab 05.04.2017 eröffneten Insolvenzverfahren der Insolvenzverwalter erst einmal mahnen muss bevor er Zinsansprüche geltend macht.
Für alle vor 05.04.2017 eröffnete Verfahren bleibt es grundsätzlich bei der bisherigen Verzinsung ab Insolvenzeröffnung. Allerdings fallen Zinsen nur bis zum 05.04.2017 an – ab diesem Zeitpunkt wird die Verzinsung erst einmal laut Gesetz unterbrochen, bis der Insolvenzverwalter den Gläubiger in Verzug setzt.
Daher fordert der Insolvenzverwalter Zinsen ab Insolvenzeröffnung (01.04.2014) bis zur Neuregelung der Insolvenzanfechtung (04.04.2017).
e) mögliche Einwendung der Anleger: Entreicherung
Abhängig vom jeweiligen Einzelfall, ist eine Verteidigung gegen eine Insolvenzanfechtung durchaus sinnvoll. Der Anleger hat die Möglichkeit, den Einwand der Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB zu erheben und somit den Anspruch ganz oder zumindest teilweise abzuwehren.
Die Hürden für diese Einrede sind sehr hoch. Es reicht nicht aus, wenn der Anleger angibt, dass er das Geld bereits ausgegeben hat.
Bei § 818 Abs. 3 BGB handelt es sich um eine rechtsvernichtende Einrede des Bereicherungsschuldners. Daher trägt der Anleger die Darlegungs- und Beweislast.
Die Hürden, die der BGH in diesem Rahmen für die Erfüllung der Darlegungs- und Beweislast formuliert hat, dürften in vielen Fällen zu einem Scheitern des Entreicherungseinwands führen.
In der Regel werden nur Luxusaufwendungen (z. B. aufwendig große Reise, Kunstgegenstände, spezielle Konsumartikel, teures Hobby, teures Event) anerkannt, die in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der Ausschüttung erfolgten. Diese Ausgaben müssen jedoch nachvollziehbar dargestellt, ggf. auch belegt werden. Dies ist eine Frage des jeweiligen Einzelfalls und sollte genauestens geprüft werden, da es nach unserer Einschätzung die aussichtsreichste Rechtsverteidigung darstellt.
Fazit:
Eine vollständige und umfassende Darstellung der Rechtslage ist hier nicht möglich. Eine anwaltliche Beratung empfehlen wir ausdrücklich zur Prüfung der Einzelfalls.
Wir empfehlen jedem Anleger, die Zahlungsforderung des Insolvenzverwalters durch einen spezialisierten Rechtsanwalt prüfen zu lassen. Nach der ausführlichen Beratung (Prüfung der Erfolgsaussichten, Abwägung des Kostenrisikos) kann der Anleger entscheiden, ob er sich gegen die Rückforderung zur Wehr setzen will.
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Holger Spiegelberg
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Bank– und Kapitalmarktrecht
Rostock