In letzter Zeit mehren sich die Fälle, bei welchen die Deutsche Rentenversicherung Bund (kurz: DRB) die Voraussetzungen der Sozialversicherungspflicht bei Gesellschafter-Geschäftsführern sowie bei Minderheitsgesellschaftern für zurückliegende Zeiträume nachprüft.
Haben die betroffenen Personen in der Vergangenheit keine Zahlungen in die sozialen Versicherungssysteme geleistet, so können im Falle der Feststellung der Sozialversicherungspflicht erhebliche Nachzahlungen auf die Gesellschaft oder die betroffenen Personen zu kommen.
1. Definition und Inhalt der Sozialversicherungspflicht
Eine Sozialversicherungspflicht besteht grundsätzlich im Falle einer nichtselbständigen Tätigkeit. Darunter fällt insbesondere die Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis. Ob eine solche abhängige Tätigkeit oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt, ist anhand von Kriterien festzustellen, welche durch das Bundessozialgericht konkretisiert wurden.
Entscheidend ist danach das Gesamtbild der vertraglichen und der tatsächlichen Verhältnisse im Unternehmen.
Wer danach infolge abhängiger Beschäftigung sozialversicherungspflichtig ist, muss in die Kranken- und Pflegeversicherung, die Rentenversicherung, die Arbeitslosenversicherung und gegebenenfalls in die Unfallversicherung einzahlen.
2. Bestimmung der Sozialversicherungspflicht
Rechtlicher Ausgangspunkt für die Bestimmung, ob eine Sozialversicherungspflicht besteht, ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Typische Merkmale einer Beschäftigung sind gemäß dieser Norm die Weisungsgebundenheit der Erwerbsperson und ihre betriebliche Eingliederung. Diese Merkmale sind jedoch lediglich Anhaltspunkte. In jedem konkreten Einzelfall müssen daher die konkreten Umstände festgestellt werden, unter welchen die entsprechenden Tätigkeiten ausgeführt werden.
An dieser Stelle ist es enorm wichtig, alle Fakten konkret, genau und zielorientiert vorzutragen und gegebenenfalls auch nachzuweisen. Nur wenn der Rentenversicherungsstelle bzw. dem Gericht eine umfassende und vernünftige Darstellung der Besonderheiten vorgelegt wird, ist eine sachgerechte Entscheidung möglich. Daher liegt hier ein besonderes Augenmerk unserer Tätigkeit.
Grundlage der Bewertung sind dabei – wie bereits dargestellt – die vertraglichen Verhältnisse und auch die tatsächlichen Umstände im betrieblichen Alltag.
Im Rahmen der vertraglichen Verhältnisse kommt als dabei wesentlich auf die Geschäftsführer Anstellungsverträge sowie auf die gesellschaftsvertraglichen Regelung an, mit welchen die Anteile am Unternehmen, die Mitwirkungsmöglichkeiten im Unternehmen sowie die Vorgehensweisen bei Abstimmungen geregelt werden.
a) Definition Abhängige Beschäftigung
Abhängig beschäftigt ist im Wesentlichen derjenige, der weisungsgebunden vertraglich geschuldete Leistungen im Rahmen einer vom Vertragspartner bestimmten Arbeitsorganisation erbringt. Der hinreichende Grad persönliche Abhängigkeit zeigt sich nicht und daran, dass der Beschäftigte einem Direktionsrecht seines Vertragspartners unterliegt, welches Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer, Ort oder sonstige Modalitäten der zu erbringenden Tätigkeit betreffen kann, sondern kann sich auch aus einer detaillierten und den Freiraum für die Erbringung der geschuldeten Leistung stark eingeschränkten rechtlichen Vertragsgestaltung oder tatsächlichen Vertragsdurchführung ergeben.
Keine große Bedeutung haben in diesem Zusammenhang Bezeichnung, welche die Parteien im Rahmen vertraglicher Vereinbarung gewählt haben. Wesentlich sind die tatsächlichen Umstände.
b) Definition selbständige Tätigkeit
Selbständig ist im Allgemeinen jemand, der unternehmerische Entscheidungsfreiheit genießt, ein unternehmerisches Risiko trägt sowie unternehmerische Chancen wahrnehmen und hierfür Eigenwerbung betreiben kann. Zu den typischen Merkmalen unternehmerischen Handelns gehört unter anderem auch, dass Leistungen in eigenen Namen und auf eigene Rechnung statt im Namen und auf Rechnung des Auftraggebers erbracht werden. Dieser selbstständige Tätigkeit zeichnet sich somit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit aus.
3. Fremdgeschäftsführer ohne Beteiligung am Stammkapital stets versicherungspflichtig
Unter die Sozialversicherungspflicht fällt grundsätzlich ausnahmslos der Geschäftsführer einer GmbH oder einer UG (haftungsbeschränkt), sofern er ohne jegliche Beteiligung am Stammkapital der Gesellschaft allein mittels Geschäftsführeranstellungsvertrages an das Unternehmen gebunden ist. Dieser ist letztlich vom Willen und den Weisungen der Gesellschafter des Unternehmens abhängig. Daher unterfällt er wie jeder normale Arbeitnehmer grundsätzlich der gesetzlichen Sozialversicherungspflicht.
4. Gesellschafter-Geschäftsführer ohne Anteilsmehrheit
Ebenso unterfällt der Sozialversicherungspflicht jeder Geschäftsführer, sofern er an der Gesellschaft mit weniger als 50 % der Anteile beteiligt ist.
Für diese Personengruppe lässt sich eine Sozialversicherungspflicht nur vermeiden, wenn ihr aufgrund gesellschaftsvertraglicher Regelungen eine beherrschende Stellung in der GmbH/UG haftungsbeschränkt oder einer weitreichende! Sperrminorität (Verhinderung von nicht gewollten Beschlüssen) eingeräumt wurde.
Entscheidend ist nach denUrteilen des Bundessozialgerichts aus dem Jahre 2012 (Urteile vom 29. August 2012, Az. B 12 KR 25/10 R sowie Az. B 12 R 14/10 R).
Zusammengefasst kommt es nach diesen Urteilen entscheidend auf die tatsächliche Rechtsmacht auf Basis der vertraglichen Vereinbarungen an.
Beispiel:
3 Gesellschafter sind mit 30 %, 30 % und 40 % an einer GmbH beteiligt. Alle drei sind stimmrechtsmäßig gleich beteiligt. Der Gesellschaftsvertrag sieht für Beschlüsse einer Mehrheit von 3/4 der Anteile vor. Selbst die Gesellschafter mit 30 % sind in der Lage und somit mit entsprechender Rechtsmacht ausgestattet, Beschlüsse zu verhindern, da dazu mindestens 75 % erforderlich sind. Die beiden übrigen Gesellschafter kommen aber zusammengerechnet lediglich auf 70 %.
Untermauert werden diese Fakten durch zwei aktuelle Urteile des Bundessozialgerichtes vom 11.11.2015. Unter den Aktenzeichen B 12 KR 13/14 R und B 12 KR 10/14 R hat das Bundessozialgericht in zwei Konstellationen selbständige Tätigkeit abgelehnt. In beiden Fällen waren die Kläger mangels zwingender gesellschaftsvertraglicher Regelungen nicht in der Lage, ungünstige Entscheidungen der Mitgesellschafter wirksam zu verhindern. Die in einem Anstellungsvertrag geregelten Vetorechte sind nicht mit einer im Gesellschaftsvertrag begründeten Sperrminorität vergleichbar. Letztlich lasse sich durch eine einseitige Kündigung des Arbeitsvertrages dieses Veto recht beseitigen.
5. Gesellschafter – Geschäftsführer mit mindestens 50 % Anteilen
Im Falle einer Beteiligung des Geschäftsführers mit 50 % oder mehr am Kapital der Gesellschaft übt dieser in der Regel eine beherrschende Stellung aus und kann Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft nehmen. Allerdings sind auch – seltene -Konstellationen denkbar, welche zu einer Versicherungspflicht führen können.
6. ( Minderheits- )Gesellschafter bzw. mit 50 % Anteil ohne Geschäftsführeranstellung
Grundsätzlich ist auch der in der Firma mitarbeitende, familiär verbundene Minderheitsgesellschafter (Gesellschaft Beteiligung zwischen 1 und 49 % ) verpflichtet, in die Sozialversicherung einzuzahlen. Ausnahmen davon können sich unter bestimmten Voraussetzungen dann vergeben, wenn aufgrund gesellschaftsvertraglicher Regelungen die Einflussnahme auf die Gesellschaft und deren Entscheidungen so enorm ist, dass diese als Selbstständige eingestuft werden und somit aus der Versicherungspflicht ausscheiden.
Für Gesellschafter, welche mit genau 50 % an der Gesellschaft beteiligt sind, besteht regelmäßig Versicherungspflicht.
Eine Ausnahme davon besteht nur dann, wenn
– persönlich unbeschränkt für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft gehaftet wird oder
– der mitarbeitende Gesellschaft intern nur nach dem Gesellschaftsvertrag zur Mitarbeit berechtigt und verpflichtet ist oder
– er die Geschicke der Gesellschaft maßgebend beeinflussen kann, insbesondere Beschlüsse zu Ungunsten seines Mitarbeitsverhältnisses verhindern kann oder
– für seine Mitarbeit nur einen höheren Gewinnanteil oder eine vom Gewinn und Verlust der Gesellschaft abhängige Vergütung erhält.
Das Bundesarbeitsgericht hatte in einer derartigen Konstellation – Beschluss v. 17.09.2014 – 10 AZB 43/14 – entschieden, dass der mitarbeitende Gesellschafter mit einem Gesellschaftsanteil von genau 50 % gerade nicht Mehrheitsgesellschafter ist. Aufgrund seines Gesellschafteranteils besaß er keine Weisungsbefugnisse gegenüber der Geschäftsführung. Vielmehr bedurfte es nach dem Gesellschaftsvertrag für solche Weisungen mindestens 75 % der Anteile. Er konnte damit als Gesellschafter die Geschäftsführung nicht anweisen, ihm bestimmte Weisungen zu erteilen oder solche zu unterlassen.
Es ist somit gerade in diesem Grenzbereich eine Frage des Einzelfalles, ob eine Versicherung Pflicht oder Versicherungsfreiheit besteht.
7. Geschäftsführer –Gesellschafter Einmann – GmbH
Überraschenderweise ist auch der Gesellschafter-Geschäftsführer einer Einmann-GmbH ohne eigene Arbeitnehmer sozialversicherungspflichtig. Das Bundessozialgericht hat in einem Urteil vom 24.11.2005 -Aktenzeichen B 12 RA 1/04 R entschieden, dass die Versicherungspflicht des Einmann GmbH Gesellschafters in seiner selbständigen Tätigkeit nicht deshalb ausgeschlossen ist, weil er als Geschäftsführer für die GmbH tätig ist. Die Ergebnisse seiner selbständigen Tätigkeit, welche er für die Gesellschaft gegenüber seinen Auftraggebern erbringt, kommen ausschließlich der GmbH zugute. Die GmbH ist aus diesem Grund der einzige Auftraggeber, unabhängig, mit wie vielen externen Partnern die GmbH ihrerseits in wirtschaftlichen oder rechtlichen Kontakt steht.
8. Verfahrensablauf
a) Anhörung
Grundsätzlich beginnt das Verfahren damit, dass ihnen von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) einen Anhörungsbogen übersandt wird. Darin werden sie aufgefordert, die Umstände, welche zur Bewertung der Selbstähnlichkeit bzw. der abhängigen Beschäftigung erforderlich sind, darzustellen.
Bereits an dieser Stelle ist es enorm wichtig, sich sorgfältig mit dem Thema zu befassen und gegebenenfalls anwaltliche Hilfe einzuholen. Äußerungen, welche ab diesem Zeitpunkt gegenüber der Rentenversicherung getätigt werden sowie entsprechend eingereichte Unterlagen lassen sich im Nachhinein kaum noch zurücknehmen bzw. korrigieren.
b) Bescheid , sofortige Vollziehung
Ist nach ihrer Darstellung die DRB immer noch der Auffassung, es liege eine abhängige Beschäftigung und keine selbständige Tätigkeit vor, so erlässt die Deutsche Rentenversicherung einen Rückforderungsbescheid. In diesem werden die Umstände der Entscheidung dargestellt sowie die Berechnungsgrundlagen erläutert. Zudem wird Ihnen eine Zahlungsfrist gesetzt.
Wichtig ist noch, dass für die Zahlung der festgesetzten Beträge regelmäßig die sofortige Vollziehung angeordnet wird. Dies bedeutet, dass sie zunächst die nachgeforderten Beträge zu zahlen haben. Eine Prüfung, ob die Zahlung möglicherweise zu Recht/zu Unrecht erfolgte, ist dabei unbeachtlich.
Sie können der sofortigen Vollziehung der Beiträge nur dann entgehen, wenn sie nachweisen und belegen, dass sie nicht in der Lage sind, diese Beträge sofort zu bezahlen oder wenn sie weiter nachweisen, dass die sofortige Zahlung einen erheblichen und betriebsgefährdenden Eingriff bedeuten würde, insbesondere sie damit Gefahr laufen, die laufenden Beiträge an die Sozialversicherungsträger nicht mehr zahlen zu können.
Auch an dieser Stelle ist ausführlicher Vortrag gegenüber der DRB wichtig.
c) Widerspruch und Widerspruchsbescheid
Gegen den Bescheid des Rentenversicherungsträgers müssen Sie innerhalb eines Monats nach seiner Bekanntgabe Widerspruch einlegen.
Parallel dazu müssen Sie beantragen und begründen, dass die sofortige Vollziehung ( die sofortige Zahlung des nachgeforderten Betrages ) ausgesetzt wird.
Sollte die Rentenversicherung nicht der Meinung sein, dass der Bescheid fehlerhaft ist, so erlässt sie einen Widerspruchsbescheid.
Gegen diesen müssen Sie nun wiederum innerhalb eines Monats nach der Zustellung Klage beim Sozialgericht einreichen.
9. Verjährung
Gemäß § 25 SGB IV verjähren Ansprüche auf Sozialversicherungsbeiträge in einer Frist von vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem diese fällig geworden sind. Hiervon abweichend verjähren Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge erst in 30 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem diese fällig geworden sind.
Das bedeutet, dass Beiträge aus dem Jahr 2013 mit Ablauf des Jahres 2017 grundsätzlich verjährt sind.
Die Verjährung kann jedoch gehemmt oder unterbrochen sein. Hier gelten die Vorschriften des BGB analog. Beispielsweise ist für die Dauer einer sozialversicherungsrechtlichen Betriebsprüfung beim Arbeitgeber die Verjährung gehemmt.
Ob die nachgeforderten Beträge möglicherweise verjährt sind, bedarf daher insbesondere in Grenzfällen einer Nachprüfung.
10. Forderungen von Krankenkassen und Berufsgenossenschaften entstehen parallel
Die Deutsche Rentenversicherung Bund stellt zwar grundsätzlich den Status fest, ob sie selbständig oder abhängig beschäftigt sind. Hinsichtlich der Berechnung der Beiträge allerdings ermittelt die Deutsche Rentenversicherung nur die Rentenbeiträge.
Von daher ist es möglich, dass neben der Rentenversicherung auch noch die Krankenkassen und Berufsgenossenschaften ihre Ansprüche nachberechnen und ihnen gegenüber nachfordern.
Den Status kann man unter Verwendung des folgenden Formulars bei der Rentenstelle überprüfen lassen:
————-> Antrag auf Statusfeststellung für Gesellschafter/Geschäfstführer einer GmbH / UG
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Haben Sie Fragen?
Dann rufen Sie uns an bzw. schicken Sie uns eine E-Mail, gegebenenfalls mit den entsprechenden Unterlagen.
Die Anfrage zu Ihrer Rechtsangelegenheit ist kostenfrei. Im Weiteren klären wir dann persönlich das weitere Vorgehen. Möglicherweise übernimmt eine vorhandene Rechtsschutzversicherung die Kosten des anwaltlichen Tätigwerdens.
Telefon: 0381 / 440 777-0
Email: info@ra-spiegelberg.de
Holger Spiegelberg
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Bank– und Kapitalmarktrecht
Rostock